Allianz: Dienstnehmer oder Unternehmer, was ist der Agent? Konsequenzen? (NL 10/24)

Foto Mag. Novotny_Stephan Huger

Allianz verlangt zwingend E-Mail-Adresse und Handy-Nummer des Kunden.
Sind Allianz-Agenten noch selbständige Unternehmer oder liegt bereits Dienstnehmer-Ähnlichkeit vor?

Je öfter wir Rückmeldungen aus dem Markt von Allianz-Agenten erhalten, umso mehr muss man sich fragen, ob nicht längst die Sozialversicherung prüfen sollte, ob Agenten nicht bereits durch so viele Vorgaben reguliert sind, dass man nicht mehr von einer selbstständigen, sondern dienstnehmerähnlichen Tätigkeit ausgehen kann. Was bekanntlich zu heftigen Nachzahlungen (Dienstgeber- und Dienstnehmerbeiträge zur Sozialversicherung für bis zu 5 Jahre) führen kann.

Vor nicht allzu langer Zeit berichteten wir vom neuen Allianz-Agentur-Vertrag, der gerade ausgearbeitet wird, mit langem Strafenkatalog und einigen unklaren oder ungünstigen Passagen – aus der Sicht der Agenten. Wir haben hier berichtet:
https://ivva.at/allianz-legt-neuen-agenturvertrag-mit-umfangreichem-strafkatalog-vor-nl-34-23/

Dann fragten wir, warum Allianz zwingend einen Auftragsverarbeitervertrag nach DSGVO verlangt, also die Agenten nicht als selbstständige Unternehmer, sondern als weisungsgebundene Auftragsverarbeiter einstuft? Zum Nachlesen hier:
https://ivva.at/warum-verlangt-allianz-einen-auftragsverarbeitervertrag-nl-36-23/

Dann erhielten wir die Rückmeldung vom Markt, dass offensichtlich sowohl Uniqa, als auch Allianz die zwingende Abgabe von Beratungsprotokollen samt Kundenunterschrift verlangen und dies noch dazu mit einer entsprechenden FMA-Vorgabe begründen würden.

Eine Nachfrage bei der FMA erbrachte, dass dies KEINE FMA-Vorgabe sei.
Zum Nachlesen: https://ivva.at/verlangt-fma-wirklich-ein-beratungsprotokoll-und-kundenunterschrift-von-jedem-kunden-nl-29b-23/

Ein Allianz-Agent bestätigte, dass dies bereits seit 3 Jahren so verlangt und mit FMA-Vorgabe begründet würde. Ohne Unterschrift würde der Vertrag nicht polizziert.
Zum Nachlesen: https://ivva.at/verlangt-auch-allianz-beratungsprotokoll-und-kundenunterschrift-von-jedem-kunden-nl-7b-24/

Und kürzlich erhielten wir eine weitere Rückmeldung aus dem Allianz-Bereich, die zeigt, wie Allianz die Zügel noch enger anzieht und nun als weitere Vorgaben eine E-Mail-Adresse und Handy-Nummer der Kunden verpflichtend verlangt:

 

„s.g. Mag. Novotny,
bezüglich Beratungsprotokoll ist es sogar so, dass wir gar keinen Antrag ausdrucken können ohne unterschriebenes Protokoll (lediglich ein Angebot auszudrucken ist möglich).

Um ein Protokoll erstellen zu können MÜSSEN vorher (zwingend) eine email-Adresse und eine Handy-Nummer beim Kundendatensatz eingetragen werden (auch wenn der Kunde keine email-Adresse hat, speziell bei älteren Kunden ein Problem – da sind die Agenten angehalten mit dem Kunden eine neue email-Adresse zu erstellen).

Und erst dann geht es zum Antrag weiter – ohne Protokoll kann der Antrag gar nicht weiter geleitet werden.“

 

Solche Vorgaben schränken den Handlungsspielraum des an sich selbstständigen Agenten sukzessive ein.

Kommt dann etwa noch dazu, dass man laut Agenturvertrag etwa
nur Hard-, Software und IT verwenden darf, die der Versicherer vorgibt,
– eine eigene Webseite nur mit Zustimmung des Versicherers betreiben darf,
– im Falle der Beendigung des Agenturverhältnisses alles retournieren und löschen muss (also etwa auch die Daten und Beratungsprotokolle der vermittelten Kunden – wie soll sich der Agent dann im Streitfall von behaupteter Fehlberatung freibeweisen können, wenn dann der Versicherer die Unterlagen nicht findet, etc.?),

… dann fragt man sich wirklich, ob so geknebelte Agenten noch selbstständige Unternehmer sind oder doch Dienstnehmer-Ähnlichkeit vorliegt.

Wir erinnern uns: Die Diskussion um Dienstnehmer-Ähnlichkeit wurde bereits vor einigen Jahren in der Finanz- und Versicherungsbranche heftig diskutiert, weil die ständig leeren Kassen die Sozialversicherer dazu motivieren, immer nach neuen Einzahlern Ausschau halten. Und was gibt es Besseres, als potente Versicherer als Zahler zu erhalten?

Wir haben auch darüber mehrmals berichtet: u.a. hier:
https://ivva.at/dienstnehmeraehnlichkeit-neue-gefahr-durch-falsche-anwendung-der-dsgvo-nl-25b-18/

Die richtige Einstufung hat Auswirkung auf Sozialversicherung (-nachzahlung) und Steuer!

Die finale Beurteilung, ob jemand Angestellter oder doch Unternehmer sei, führte oftmals zu einer „Umqualifizierung“ durch die Krankenkasse, die nun Gesundheitskasse heißt.
Konsequenzen waren dramatische Nachzahlungen (Dienstgeber- und Dienstnehmerbeiträge zur Sozialversicherung mussten für bis zu 5 Jahre nachgezahlt werden).

Um Unklarheiten diesbezüglich zu beseitigen hat das österreichische Parlament sogar ein eigenes Gesetz, das Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz (SV-ZG) beschlossen, das mit 1. 7. 2017 in Kraft getreten ist. Da ist das Procedere genau beschrieben, wie mit sollen diese Unklarheiten beseitigt und geklärt werden kann, ob eine Beschäftigung auf selbständiger Basis vorliegt (und damit eine GSVG-Pflichtversicherung) oder eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird (und damit eine ASVG-Pflichtversicherung zutrifft). 

Wir hören vom Markt, dass der neue Allianz Agenturvertrag im Juni finalisiert werden soll und hoffen, dass unser regelmäßiges Aufzeigen der problematischen Passagen dazu führt, dass diese im Sinne einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit abgeändert werden.

Aber auch anderen – großen – Versicherungen kann man nur empfehlen, nicht den Handlungsspielraum der selbstständigen Agenten sukzessive zu reduzieren, weil ansonsten wirklich zu prüfen ist, ob nicht schon längst Dienstnehmer-Ähnlichkeit vorliegt.

 

Was sind nun die maßgeblichen Kriterien einer Dienstnehmer-Ähnlichkeit?

Weisungsgebundenheit, organisatorische Eingliederung, wirtschaftliche Abhängigkeit. Insbesondere letzteres wurde auch bei Agenturen schon bejaht. Obwohl rechtlich selbstständig, ist die arbeitnehmerähnliche Person faktisch von den geschäftlichen Beziehungen zu wenigen oder nur einem einzigen Auftraggeber abhängig. Je nach Ausgestaltung kann dies auch für Versicherungsagenten zutreffen.

Beste Grüße von Mag. Stephan Novotny und dem IVVA Team

 

Sollten Sie noch keinen Anwalt haben: Mag. Stephan Novotny, ein auf Versicherungs- und Datenschutzrecht spezialisierter Fachanwalt steht gerne zur Verfügung. Für IVVA-Mitglieder sogar zum Spezialpreis.

 

RA Mag. Stephan Novotny, Foto: Stephan Huger


RA Mag. Stephan Novotny

1010 Wien, Landesgerichtsstraße 16/12

kanzlei@ra-novotny.at

https://www.ra-novotny.at

 

 

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