Wie prüft Helvetia die korrekte Beratung nach IDD? Was verlangt FMA? (NL 10b/24)

Werner Panhauser, Vorstand Helvetia, Foto beigestellt

Im 1. Teil des Interview mit Werner Panhauser, Vorstand für Vertrieb und Marketing bei der Helvetia Versicherungen AG erfuhren wir, wie es der Helvetia im Vorjahr gegangen ist und wie man etwa Inflation, Krisen, aber auch Umweltereignisse verkraftet hat. Auch das Produzieren und Versenden von hunderttausenden Seiten Papier im Monat war Thema. Ist das alternative Versenden von Polizzen via E-mail eine gute Alternative?
Was hält VST Panhauser vom „zwangsweisen“ Einsammeln von E-mail-Adressen? Könnte das auch bei der Helvetia vorkommen? Zum Nachlesen hier…

Im heutigen, 2. Teil des Interviews erfahren wir, wie Helvetia das Thema Nachhaltigkeit im eigenen Unternehmen umsetzt und ob es Probleme mit der IDD-Umsetzung in der Praxis gibt. Auch das Thema „FMA-Prüfung“ bzw. „ALLE Beratungsprotokolle oder nur stichprobenhafte Ablieferung“ und die zwangsweise Retournierung aller Unterlagen und die Frage, wie sich der Agent dann von behaupteter Fehlberatung freibeweisen können soll, wurden ausführlich besprochen: Das Beratungsprotokoll als Rettungsanker für Agenten, Vermittler! Ebenso klären wir, warum Helvetia die Agenten – korrekterweise – als Datenverantwortliche und nicht als weisungsgebundene Auftragsverarbeiter einstuft.

IVVA: Der letzte Satz im vorwöchigen Interview lautete: Wieviel macht die Postgebühr pro Jahr für einen mittelgroßen Versicherer aus?

Panhauser: Der Versand nur der Polizzen kostet die Helvetia rund 2,7 Mio. Euro im Jahr. Das habe ich erst unlängst ausheben lassen. Sie sehen also, dass es zwar hier um sehr viel Geld geht, aber es ist nicht so sehr der finanzielle Aspekt im Vordergrund, sondern das sinnlose Abholzen von Bäumen, nur um Polizzen den Kunden zur Verfügung stellen zu können.

IVVA: Wir haben uns jetzt nur mit einem Aspekt der Nachhaltigkeit – also die Papierverschwendung – beschäftigt. Sie als Versicherer müssen aber auch insgesamt Ihr Unternehmen nachhaltiger gestalten, um ESG mit Leben zu versehen. Sie erzählten mir in einem früheren Interview, dass Sie Ihre Gebäude sanieren. Ist das mittlerweile abgeschlossen?

Panhauser: Nein unsere Hausoffensive ist noch nicht ganz abgeschlossen, aber wir kommen sehr gut voran. Und das schätzen auch unsere Mitarbeiter sehr. Die Büros sind hell, es gibt viel Glas und Tageslicht. Ich bin überzeugt davon, dass das eine wichtige Maßnahme ist, damit sich die Mitarbeiter am Arbeitsplatz sehr wohl fühlen, und somit noch produktiver sein werden.
Und im „Hintergrund“ wurden die Gebäude umgerüstet auf Energie-Autarkie und Stromgewinnung. Überall gibt es mittlerweile Fotovoltaik-Anlagen.

IVVA: Erinnere ich mich richtig, dass Sie als Klimabündnis-Betrieb ausgezeichnet wurden?

Panhauser: Genau. Helvetia hat sich mit ihrer gruppenweiten Klimastrategie zur Reduktion von CO2-Emissionen verpflichtet und war weltweit die erste Versicherung, die zu 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien bezog. Und das Gebäudemanagement wurde bereits drei Mal vom Klimabündnis Österreich prämiert. Ressourcen-Schonung, geringe Emissionen, optimierte Heizung-, Wasser-Versorgung, usw. Für diese Anstrengungen wurden wir ausgezeichnet.

IVVA: Lohnt sich dieser Aufwand für Nachhaltigkeits-Investitionen auch schon wirtschaftlich?

Panhauser: In den ersten Jahren natürlich noch nicht, weil gerade am Anfang die hohen Investitionskosten stehen. Aber klar ist: Angesichts der sehr hohen Energiekosten jetzt, werden sich die Investitionen früher lohnen, als geplant. Also statt 10-15 Jahren werden es wohl nur 7 Jahre sein.

Und als Firma haben wir gegenüber den Privaten einen großen Vorteil: Wenn Sie Zuhause am Balkon ein Solarpanel haben und die Sonne scheint, produzieren sie zwar Strom, aber so viele Geräte können sie gar nicht einschalten – sofern sie überhaupt zu Hause sind – um zu verbrauchen, was sie gerade produzieren. Also müssen sie den Strom ganz, ganz billig an den Stromlieferanten verkaufen.

Wir als Unternehmen verbrauchen den soeben produzierten Strom tatsächlich selbst, weil die Mitarbeiter im Büro tätig sind. Somit ersparen wir uns die hohen Stromkosten, die uns der Stromlieferant sonst verrechnen würde. Somit schaut die Kalkulation ganz anders aus.

IVVA: Wenden wir uns nun juristischen Themen und deren Umsetzung in der täglichen Praxis zu. Beginnen wir mit der IDD, deren Überarbeitung in Brüssel durch die Pandemie verschoben wurde, aber teilweise durch die Kleinanleger-Richtlinie wieder „aufgegriffen“ wird. Gab es in den letzten Monaten in diesem Bereich irgendwelche Probleme, Unklarheiten?

Panhauser: Nein, keine Probleme. Das ist mittlerweile ein eingespielter Prozess, welchen wir aber laufend weiterentwickeln und verbessern. Und vor nicht allzu langer Zeit haben wir die FMA IDD-Prüfung ohne Schwierigkeiten, ohne Beanstandungen hinter uns gebracht. Dieses Ergebnis nehmen wir mit großer Freude zur Kenntnis. Wir haben es nun schwarz auf weiß, dass die Beratung IDD-konform erfolgt ist.

IVVA: Da dies in der Branche gerade wieder heftig diskutiert wird: Wie und wie umfangreich checken Sie die Einhaltung der korrekten Beratung/Dokumentation und wenn ja, fordern sie diese anlassbezogen und stichprobenhaft an? Wie ist hier der Prozess?

Panhauser: Die FMA sieht für unsere selbstständigen Kooperationspartner eine passive Monitoring-Pflicht vor.
Das bedeutet, im Falle von aktiven Kundenbeschwerden, oder stark zweifelhaften Anträgen würden wir die entsprechende Dokumentation von unserem Partner anfordern. Zusätzlich sehen sich unsere Betreuer Stichproben an, welche im Rahmen von jährlichen Qualitätsgesprächen mit unseren Partnern diskutiert werden. Aber von allen alle Protokolle einzufordern, das ist nicht unsere Pflicht und nicht unser Ansinnen.

IVVA: Sie verlangen also nur bei Beschwerden, also Anlassbezogen das Beratungsprotokoll. Es ist also nicht wie bei anderen Versicherern nötig, das Beratungsprotokoll einzuspielen, weil andernfalls nicht polizziert wird?

Panhauser: Genau so ist es. Aber betonen möchte ich schon, dass ein Beratungsprotokoll etwas sehr Gutes ist. Im Streitfall stellt es sich immer wieder als nützlich heraus, wenn man im Beratungsprotokoll nachsehen und dem Kunden sagen kann, „über die XY-Versicherung haben wir gesprochen, aber nicht abgeschlossen, weil ihnen das damals zu teuer war“, etc. Somit also keine Fehlberatung vorliegt!

IVVA: Das Beratungsprotokoll also als Rettungsanker für den Agenten. Das sehe ich genauso. Und darum empfehlen der auf Versicherungs- und Datenschutzrecht spezialisierte Anwalt Mag. Novotny und der IVVA auch, dass man aus vorgelegten Agenturverträgen den Passus streichen soll, dass ALLE UNTERLAGEN bei Kündigung des Agenturverhältnisses zurückzugeben sind. Der Agent braucht das Beratungsprotokoll, um sich in Streitfällen freibeweisen zu können.

Panhauser: Das kann ich nachvollziehen. Der Agent wäre ja wehrlos, wenn man ihm alles wegnimmt. Zumindest soll er sich Abschriften, Kopien machen können.

IVVA: Der IVVA ist auch dagegen, dass der Agent als Auftragsverarbeiter nach der DSGVO eingestuft wird, anstatt als Verantwortlicher, wie das auch die Helvetia so sieht. Weil damit wird der Agent definitiv Weisungsempfänger und muss also die Unterlagen zurückgeben, wenn der Versicherer das fordert…

Panhauser: Also weder muss man bei uns alles zurückgeben. Noch wird man bei Helvetia als weisungsgebundener Auftragsverarbeiter eingestuft.
Im Gegenteil: Der Agent und der Versicherer sind gemeinsame Datenverantwortliche nach den Bestimmungen der DSGVO. Daher kann der Agent im Notfall auf sein Beratungsprotokoll zugreifen und seine korrekte Beratung beweisen.

 

Im 3. Teil des Interviews erfahren wir,

– wie sich Helvetia auf DORA vorbereitet und wieso dieser „Digital Operational Resilience Act“ auch die Vermittler treffen wird,
– wie es Helvetia hinsichtlich Nachwuchs/Nachfolge geht,
– wie sich der Agenturvertrieb entwickelt hat und warum Helvetia für Agenten attraktiv ist

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