Sie fragen, wir antworten: Neues aus der Praxis (NL 5/24)

Foto Mag. Novotny_Stephan Huger

Immer wieder kommen Fragen an unsere Partner-Anwälte, von denen wir gezielt wieder einige ausgewählt haben, da sie für alle Agenten interessant sein könnten. Heute sehen wir uns an:

  1. Unfallversicherung: Summenreduktion ab Alter 75 erlaubt? Oder sprach sich der OGH dagegen aus?
  2. Frage zum zuletzt berichteten Verwaltungsstrafverfahren gegen Agenten: Soll man § 137 f von den Formularen streichen?

Diese Fragen haben wir den auf Versicherungsrecht spezialisierten RA Mag. Stephan Novotny gestellt und um seine juristische Einschätzung gebeten.

Die Antworten des auf Versicherungsrecht spezialisierten RA Mag. Stephan Novotny auf die neuen Fragen unten anbei.

Sollten auch Ihnen Fragen unter den Nägeln brennen, nutzen Sie die Möglichkeit, diese mit spezialisierten Top-Anwälten der Branche anzudiskutieren. Füllen Sie einfach das Formular hier aus: https://ivva.at/fragen-an-partneranwaelte/


In dieser losen Serie haben wir u.a. bereits beantwortet:

  • Nachforderung Dauerrabatt: Kann für nachgeforderte Prämie auch Provision gefordert werden? Hier klicken…
  • 15 IDD-Weiterbildungsstunden: Wie aufteilen zwischen Modul 1 und 2? Hier klicken…
  • Fragen zur Provision und zum Urteil gegen Vergleichsportale. Zum Nachlesen hier klicken…
  • Darf Agent seinen Versicherungsbestand an einen Makler übertragen? Hier nachlesen…
  • Hat der Versicherer das Recht zeitlich unbefristet und jederzeit die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu prüfen und die Beratungsdokumentation anzufordern? Auch der Dauerrabatt war Thema. Zum Nachlesen hier klicken…
  • Ist Versicherer berechtigt, die Folgeprovision durch eine Abschlagszahlung abzugelten? Wenn ja, in welcher Höhe, Berechnung? Hier…
  • Darf Betriebsversicherung vor 10 Jahren gekündigt werden oder nicht? Hier klicken…
  • Facebook-Seite anstelle einer „traditionellen“ Webseite: Was sagt die DSGVO dazu? Hier klicken…
  • Rückfrage zum Geldwäsche-Risikoerhebungsbogen: Wie oft muss ich den ausfüllen? Hier klicken…
  • Muss der Agent für den Versicherer E-Mail-Adresse und Telefon-Nr. der Versicherungsnehmer einholen und an Versicherer weiter leiten? Ist das womöglich eine DSGVO-Pflicht? Hier…
  • Wie muss Impressum, Mail-Signatur, Info-Weitergabe an Kunden aussehen. Zum Nachlesen hier klicken…
  • Warum die Webseite danach untersuchen, ob alle Daten der Mitarbeiter noch stimmen? Hier klicken…
  • Wann ist die Dauerrabatt-Klausel grob nachteilig? Hier nachlesen…
  • Altersdiskriminierung im Versicherungsbereich erlaubt? Hier nachlesen…
  • Das Wort Versicherung im Firmenwortlaut verboten. Hier nachlesen…
  • Im Agenturvertrag steht, dass auch der Agent laut IDD als Hersteller gelten kann. Was bedeutet das? Konsequenzen/ Pflichten? Passage im Agenturvertrag ignorieren oder streichen lassen? Hier nachlesen…

Heute sehen wir uns an:

  1. Unfallversicherung: Summenreduktion ab Alter 75 erlaubt? Oder sprach sich der OGH dagegen aus?
  2. Frage zum zuletzt berichteten Verwaltungsstrafverfahren gegen Agenten: Soll man § 137 f von den Formularen streichen?

Diese Fragen haben wir dem auf Versicherungsrecht spezialisierten RA Mag. Stephan Novotny gestellt und um seine juristische Einschätzung gebeten.

Die Antworten des auf Versicherungsrecht spezialisierten RA Mag. Stephan Novotny auf die neuen Fragen unten anbei.

Sollten auch Ihnen Fragen unter den Nägeln brennen, nutzen Sie die Möglichkeit, diese mit spezialisierten Top-Anwälten der Branche anzudiskutieren. Füllen Sie einfach das Formular hier aus: https://ivva.at/fragen-an-partneranwaelte/

 

Ad 1) Summenreduktion in der Unfallversicherung ab Alter 75 Jahre. Ist das erlaubt? Hat das nicht der OGH bereits verurteilt?

Ein Agent sandte uns die Versicherungsbedingungen seines Kunden, in der tatsächlich zu lesen steht:

„Wird die Versicherung mit Vollendung des 75. Lebensjahres des Hauptversicherten nicht auf eine Seniorenunfallversicherung umgestellt, so werden sämtliche Leistungen für den Hauptversicherten im Schadensfall um 50% gekürzt“.

Der Agent fragte beim IVVA nach, ob das wirklich gesetzmäßig sein kann? Kommt einem doch sofort „Altersdiskriminierung“ in den Sinn.

Dazu Mag. Novotny:
Laut OGH ist das Ziehen einer willkürlichen Altersgrenze, die die Reduktion der Versicherungssumme bewirkt, objektiv überraschend und somit als überraschende, nachteilige Klausel gem. § 864a ABGB unwirksam (7 Ob 156/20x). Argument des OGH ist, dass der VN nicht damit rechnen muss, dass es ab einem bestimmten Alter zu derartigen Änderungen in den Bedingungen kommt.

Konkret wurde die Senkung der Versicherungssumme um 30 % nach dem 70. Lebensjahr ebenso als sittenwidrig angesehen wie eine Vereinbarung, dass ab 75 eine niedrige laufende Rente anstatt einer einmaligen Kapitalleistung ausbezahlt werden soll (OGH, 7 Ob 156/20x). In der Entscheidung OGH 7 Ob 148/21 wurde diese Ansicht bestätigt.

In diesem Beispiel ist es sogar um eine Reduktion um 50 % gegangen, sodass dies in jedem Fall sittenwidrig sein müsste.

Wir gehen also davon aus, dass auch die oben zitierte Klausel in der Unfallversicherung sittenwidrig und damit gesetzwidrig ist.


Ad 2) Frage zum zuletzt berichteten Verwaltungsstrafverfahren gegen Agenten: Soll man § 137 f von den Formularen streichen?

Vorige Woche berichteten wir davon, dass ein Agent uns ein Magistrats-Schreiben mit dem Betreff: Verwaltungsstrafverfahren: Aufforderung zur Rechtfertigung“ erhalten hatte. Zum Nachlesen hier klicken…

Dem Agenten wird vorgeworfen, dass er beim Verkauf einer Fondsgebundenen Lebensversicherung den Kunden nicht beraten und nicht erläutert hätte, warum „dieser Tarif den Wünschen und Bedürfnissen des Versicherungsnehmers am besten entspricht“. Auch sei keine „taugliche Geeignetheitserklärung für den Kunden durchgeführt worden und konnte kein dem jetzigen gesetzlichen Standard entsprechendes Ergebnis vor Vertragsabschluss dem Kunden zur Verfügung gestellt werden und wurden dadurch folgende Normen übertreten…“.

Außerdem wird behauptet, dass die Standesregeln für Versicherungsmakler verletzt worden seien, was nicht korrekt sein kann, weil man einem Agenten wohl nicht die Makler-Standesregeln vorhalten kann. Gemeint müssten wohl die Standesregeln für die Versicherungsvermittlung sein.

Zwar gibt es auch Standesregeln für Versicherungsmakler, aber die Kammer schreibt selbst, dass dies nur ein Verhaltenskodex ist, keine Standesregeln. https://www.wko.at/oe/information-consulting/versicherungsmakler-berater-versicherungsangelegenheiten/standesregeln

Unserer Ansicht nach dürfte die Verwaltungsstrafbehörde keine Strafe nach dem Verhaltenskodex aussprechen. Dies würde nur auf Basis eines Gesetzes oder einer Verordnung (Standesregeln für die Versicherungsvermittlung) gehen. Der Verhaltenskodex wird jedenfalls nicht in den Strafbestimmungen der Gewerbeordnung angeführt.

Besonders skurril wird es aber, dass man dem Agenten vorwirft, dass auf dem Vordruck seines Beratungsprotokolls, das mit dem Kunden ausgefüllt und vom Kunde unterschrieben wurde, irgendwo § 137f und g GewO steht. Die Behörde dazu: „Die §§ 137f und 137g sind am 27. 1. 2019 außer Kraft getreten“.

Fakt ist aber, dass die Bestimmungen dieser Paragraphen nicht aufgehoben, sondern in die Standesregeln „verschoben“ wurden.

Wir verstehen, dass die Behörde kontrolliert, ob die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden. Daher ist es auch verständlich, dass geprüft wird, ob und wie man den Wünsche- und Bedürfnistest macht, ob es ein Beratungsprotokoll gibt und wie korrekt man es ausgefüllt hat, etc..
Aber sich bei der Kontrolle in eine Formalität zu verbeißen, also zu kritisieren, dass ein falscher Paragraph angeführt wird, ist schon merkwürdig.

Die Beratungs-Unterlagen werden den Agenten zumeist von Versicherungsgesellschaften zur Verfügung gestellt, die davor von der Rechtsabteilung zusammengestellt wurden. Niemand kann alle Gesetze im Blick behalten, schon gar nicht die Versicherungsvermittler, deren Job darin besteht, die Kunden korrekt zu beraten und deren existentiellen Risiken abzusichern. Also verlassen sie sich auf die Unterlagen des Versicherers. Und arbeiten damit nach bestem Wissen und Gewissen. Ich kann darin kein Verschulden oder höchstens eine geringe Fahrlässigkeit erkennen. Aber wir werden Sie weiter über den weiteren Verlauf des Verfahrens informieren.

Und um die Frage zu beantworten: Ja, wenn man auf den Fehler hingewiesen wurde, sollte man die ominösen Paragraphen aus den Unterlagen streichen, um damit der kritischen Behörde nicht einen weiteren Anlass zu geben, ein Verwaltungsverfahren einzuleiten.

 

Beste Grüße vom IVVA Team und Mag. Novotny.

Sollten Sie noch keinen Anwalt haben: Mag. Stephan Novotny, ein auf Versicherungs- und Datenschutzrecht spezialisierter Fachanwalt steht gerne zur Verfügung, für IVVA Mitglieder sogar zum Spezialpreis.

 

RA Mag. Stephan Novotny, Foto: Stephan Huger


RA Mag. Stephan Novotny

1010 Wien, Landesgerichtsstraße 16/12

kanzlei@ra-novotny.at

https://www.ra-novotny.at

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