Neue Frage aus der Praxis:
Muss das Beratungsprotokoll, das der Versicherer dem Agenten vorgibt, die gleichen Formvorschriften erfüllen, die auch für Agenten gelten?
Und: Was muss auf dem Beratungsprotokoll alles angeführt sein?
Kürzlich wandte sich ein Agent mit einer kuriosen Frage an den IVVA. Diese hat aber einen ernsten Hintergrund, der uns veranlasst zu klären, was ein Beratungsprotokoll beinhalten muss.
Ausgangslage: Ein Versicherer forderte vom Agenten ein Beratungsprotokoll von einem vergangenen Kundengespräch an.
Solche stichprobenhaften Kontrollen stehen dem Versicherer durchaus zu, schließlich haftet der Versicherer für Verfehlungen des Agenten. Zu kritisieren ist dieser Vorgang nur, wenn der Versicherer alle Protokolle sehen möchte oder die verpflichtende Eingabe ins System des Versicherers vorschreibt, weil dazu ist – nach Rückfrage bei der FMA – der Versicherer nicht verpflichtet. Siehe dazu unseren entsprechenden Rechercheberichte hier …
Doch zurück zum Fall. Der Agent lieferte also das „historische“ Beratungsprotokoll. Dabei stellte sich heraus, dass auf diesem verwendeten Beratungsprotokoll keine Hinweise auf die Agenturverhältnisse zu finden waren. Was der Versicherer – zurecht – kritisierte.
Der Agent betont, dass er diesen Fehler selbst nicht begangen hatte, weil das ein „übernommener Bestand“ war, d.h. der Vorgänger hatte ein fehlerhaftes Protokoll verwendet.
Tatsächlich nutzt er selbst ein Beratungsprotokoll, wo die Formvorschriften aus Gewerbeordnung, Standesregeln, etc. erfüllt werden, also auch alle Agenturverhältnisse bekannt gegeben werden. Soweit alles gut und der Fall klar.
KURIOS wird es aber in den Tagen nach obiger Abhandlung.
Da sendet nämlich der Versicherer die Empfehlung, jenes Beratungsprotokoll zu nutzen, das man bei der versicherungseigenen Online-Strecke anklicken und „aktivieren“ kann. Dadurch werde beim Beratungsprozess das Beratungsprotokoll des Versicherers verwendet.
Kurios ist dieser Rat deshalb, weil auf diesem Beratungsprotokoll ÜBERHAUPT KEINE HINWEISE AUF AGENTURVERHÄLTNISSE zu finden seien. Auch keine Möglichkeit, von z.B. 30 Kästchen, jene Versicherer anzuhaken, die auf den betroffenen Agenten zutreffen würden.
Jetzt kommt sich der Agent veräppelt vor. Bei seinem eigenen Protokoll kritisiert der Versicherer (zu Recht), dass dort die Agenturverhältnisse fehlen würden. Aber selbst erstellt man ein Beratungsprotokoll, wo überhaupt keine Agenturverhältnisse aufscheinen. Leider zeigte sich der Versicherer nicht einsichtig. Man hätte ihm sinngemäß geantwortet, dass dies ein Standard-Text für alle Vermittler sei, da könne man nicht hundert Versicherer draufschreiben.
Der Agent regt an, dass der IVVA diesen Fall aufgreifen soll, weil die meisten Vermittler würden dieses Online-Tool „gedankenlos“ akzeptieren. Den wenigsten würde das Fehlen auffallen und die Allermeisten würden alles akzeptieren, was vom Versicherer komme.
Der Agent kritisiert, dass der Versicherer damit die Vermittler in eine Haftungsfalle „reintheatert“, weil die Konsequenzen für dieses Vergehen hätte in diesem Fall wohl der Agent zu tragen. Richtig, fragt der Agent? Und der Agent fragt weiters: Das kann doch nicht der Gewerbeordnung, den Standesregeln entsprechen, oder? Wo bliebe sonst das Level playing field, also die gleiche Umsetzung von Vorschriften, egal ob man groß oder klein ist…
Also hinterfragten wir das Vorgehen des Versicherers beim auf Versicherungsrecht spezialisierten Anwalt Mag. Stephan Novotny:
Hier folgt der Beitrag, den wir mit Mag. Novotny erstellt haben:
„Gem. § 1 Abs 4 Standesregeln für Versicherungsvermittlung haben die bei der Versicherungsvermittlung durch den Versicherungsagenten verwendeten Papiere und Schriftstücke deutlich sichtbar im Kopf oder in der Fußzeile Namen und Anschrift, die GISA-Zahl sowie die Bezeichnung „Versicherungsagent“ und alle Agenturverhältnisse zu enthalten. Unter Papiere und Schriftstücke fällt wohl auch das Beratungsprotokoll.
Dies bedeutet natürlich auch, dass der Agent die Möglichkeit haben muss, seine Agenturverhältnisse in das Online–Beratungsprotokoll des Versicherers einzupflegen und abzuändern.
Dass dies der Versicherer nicht automatisch – als Service für den Agenten – erledigen kann, verstehe ich, da nicht laufend mit dem Gisa abgeglichen werden kann.
Aber der Agent selbst müsste schon die Möglichkeit dazu haben, weil er ja auch selbst dafür haftet. Es muss daher in dem vorgefertigten Protokoll irgendwo die Möglichkeit geben (meist bei den Stammdaten des Agenten), die Agenturverhältnisse anzuführen, damit sie dann am Beratungsprotokoll auch aufscheinen. Anders kann es nicht sein.
Sollte die vom Versicherer geäußerte Rückmeldung „haben wir nicht“ tatsächlich stimmen, dann können wir nur empfehlen, dies UMGEHEND zu ändern, da andernfalls das Beratungsprotokoll nicht gesetzeskonform umgesetzt wurde.
Es empfiehlt sich als nochmals mit dem betreffenden Versicherer Kontakt aufzunehmen, detailliert auf die Rechtslage hinzuweisen und eine Abänderung zu verlangen.
Möglicherweise war die Antwort des Versicherungsmitarbeiters („haben wir nicht“) falsch und es gibt sehr wohl die Möglichkeit, dass jeder Agent seine Agenturverhältnisse in das Online-Beratungsprotokoll eintragen kann. Vielleicht versteckt es sich irgendwo in den Optionen, etc.
Sollte diese Option von Seiten des Versicherers doch angeboten werden, dann kann man dem betroffenen Versicherer in diesem Zusammenhang nur den Tipp geben, hier die Agenten besser zu schulen. Denn wenn selbst ein problembewusster Agent, der über die gesetzlichen Anforderungen bestens Bescheid weiß, nicht findet, wie man die Agenturverhältnisse in das Online-Protokoll eintragen kann, dann tun das auch 99 % der anderen Agenten nicht und laufen Gefahr für diese Gesetzesverletzung bestraft zu werden.
DAHER WERTE AGENTEN: Sollten Sie ein Online-Beratungsprotokoll eines Versicherers nutzen, checken Sie bitte, ob dort wirklich alle Formerfordernisse erfüllt sind. Konkret muss es Namen und Anschrift des Agenten, die GISA-Zahl sowie die Bezeichnung „Versicherungsagent“ und alle Agenturverhältnisse enthalten.“ Soweit RA Mag. Stephan Novotny.
Interessante Zusatzfrage in diesem Zusammenhang:
Muss ich wirklich überall meine ganzen Agenturverträge bekannt geben? Diese ändern sich immer wieder mal. Reicht es nicht aus, wenn ich im GISA die Agenturverhältnisse aktuell halte und dann z.B. von der Webseite aus einen Link auf GISA setze?
Das ist unserer Ansicht nach eine kreative Idee, aber nicht so vom Gesetzgeber gewünscht. Ziel des Gesetzgebers mit dieser Regelung ist, dass WIRKLICH ALLEN KUNDEN, egal ob sie ein Smartphone oder einen Computer nutzen und unabhängig davon, wie gut sie mit moderner Technik umgehen können, auf einem Blick gezeigt wird, mit wem man es zu tun hat (Agent, Makler) bzw. mit welchen Versicherungen dieser Vermittler zusammenarbeitet. Daher wird der Link auf GISA nicht reichen, um die Informationspflichten zu erfüllen.
Rückfrage wieder bei RA Mag. Stephan Novotny:
„Ja, leider ist es exakt so. Lediglich einen Link zum Gisa anzuführen, widerspricht mit Sicherheit der Regelung von § 1 Abs 4 Standesregeln. Die Möglichkeit der Anführung auf der Website gilt gem. § 5 Abs 5 nur für die Informationen gem. § 1 Abs 9-11. Selbst dann würde ein Link nicht reichen, sondern müssen die Agenturverhältnisse auf der Website angeführt sein.
Abschließendes Resümee von Mag. Novotny:
Obiger Fall zeigt, dass Versicherer eher kurze (manchmal zu kurze) Formulare vorgeben, die zwar gerne verwendet werden, aber nicht immer vom Umfang her ausreichend sind.
Möglicherweise liegt die Ursache für die Kürzung darin, dass man den Kunden nicht zu sehr langweilen oder überfordern will. Aber durch eine solche „Verkürzung“, also das Weglassen von vorgeschriebenen Informationen an / für den Kunden wird eine Gesetzesverletzung und somit Haftung des Agenten ausgelöst, für den dann aber wieder die Versicherung haftet.
Interessant wäre in diesem Zusammenhang jedoch, ob der Versicherer vom Agenten Regress fordern kann, wenn der Fehler vom Versicherer ausgelöst wurde.
In jedem Fall aber wäre es sinnvoll und natürlich nötig, das Online-Beratungsprotokoll des Versicherers gesetzeskonform zu erstellen, durch Schulung sicherzustellen, dass die Agenten wissen, wie man das Formular „individualisiert“, also z.B. mit den eigenen Agenturverhältnissen befüllt. Und stichprobenhaft darauf zu achten, ob die Agenten diese Formulare auch korrekt befüllen.“
Beste Grüße von RA Mag. Novotny und dem IVVA-Team.
Sollten Sie noch keinen Anwalt haben: Mag. Stephan Novotny, ein auf Versicherungs- und Datenschutzrecht spezialisierter Fachanwalt steht gerne zur Verfügung, für IVVA Mitglieder sogar zum Spezialpreis.
RA Mag. Stephan Novotny, Foto: Stephan Huger
RA Mag. Stephan Novotny
1010 Wien, Landesgerichtsstraße 16/12