Bezirkshauptmannschaft sendet „Anberaumung“ einer Vorort-Kontrolle zur Geldwäsche aus (NL 21/24)

RA Mag. Stephan Novotny, Foto: Stephan Huger
RA Mag. Stephan Novotny, Foto: Stephan Huger

Besonders kurios: Sogar an Ausschließlichkeitsagenten. Ist das korrekt?

Vor ein paar Tagen erreichte uns ein Mail mit folgendem Inhalt:

„Sehr geehrte KollegInnen!

Mit einiger Verwunderung habe ich das Schreiben bezüglich der Vorortüberprüfung zur Kenntnis genommen. Von der zuständigen Dame auf der BH Amstetten erfuhr, dass ich wegen der Vermittlung von Lebensversicherungen darunterfalle. Ich bin Ausschließlichkeitsagent für Wüstenrot, übe das Gewerbe im Nebenjob aus und hatte in den letzten Jahren einen durchschnittlichen Gewinn von rund € 5.000. Vermutlich sollten die Kontrollmechanismen bei Wirtschaftskriminalfällen besser greifen, denn mit meinen rund € 5.000 schaffe ich es wahrscheinlich mit größter krimineller Energie nicht, Geld zu waschen und den Terrorismus zu finanzieren.

Bitte setzt euch ein, damit derartig sinnlose und für die Steuerzahler unwirtschaftliche Praktiken eingestellt werden.“

Die Verwunderung des Agenten ist tatsächlich berechtigt. Warum, erfahren Sie unten anbei.
Wir erinnern im folgenden Beitrag mit RA Mag. Stephan Novotny an die rechtlichen Grundlagen zur Geldwäsche-Vermeidung, berichten über Ausnahme-Regelung für Versicherungsvermittler, versuchen zu klären, warum der betreffende Agent in die Stichprobe gelangt ist und informieren darüber was jetzt zu tun ist.

Hier folgt nun der Beitrag, den wir mit Fachanwalt Mag. Novotny erstellt haben:

Fakt ist: Bestimmte Gewerbe müssen aufgrund der gewerberechtlichen Regelungen zur Verhinderung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung im Verhältnis zu Kunden besonders aufmerksam sein („know your customer“). Dazu sind regelmäßige Identifizierungs-, Nachforschungs- und Dokumentationsaufgaben (Risikoerhebungsbogen!) zu erfüllen.

Bitte diese Verpflichtungen keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen. Die EU hat die Pflichten in den letzten Jahren immer mehr verschärft, kürzlich trat bereits die 5. Geldwäsche-Richtlinie in Kraft.
Auch sollten Sie nicht glauben, dass man hier nur große Firmen kontrollieren würde. Im Gegenteil: Auch Klein- und Kleinstunternehmen werden angeschrieben und aufgefordert binnen 14 Tagen Unterlagen abzuliefern. Die aktuellen Rückmeldungen unserer Agenten zeigen dies ganz deutlich. Ich vermute, dass hier die zu Prüfenden nach dem Zufalls-Prinzip aus dem GISA-Verzeichnis ausgewählt werden.

Und die Norm-Unterworfenen müssen der Behörde bei Vor-Ort-Prüfungen, aber auch nach schriftlicher Aufforderung (Eingeschriebener Brief!) die Einhaltung der Vorschriften belegen.

Darauf weist die Bezirkshauptmannschaft auch im Schreiben „TERMINAVISO VORORTKONTROLLE“ hin und schreibt weiters:
„Am Tag der Vorortkontrolle findet zur vereinbarten Zeit ein Eingangsgespräch statt, in welchem die angestellte (?Tippfehler? Vielleicht ist „ausgestellte“ gemeint?) Risikobewertung / Negativerklärung samt abgegebener Risikoeinstufung besprochen wird“.

Zurück zur Rechtslage:

Ja, auch Versicherungsvermittler müssen unter bestimmten Bedingungen bestimmte Formvorschriften einhalten und unternehmerische Vorkehrungen zur Vermeidung von Geldwäsche treffen, die die Behörde regelmäßig – auch bei Versicherungsvermittlern kontrolliert.

Daher haben wir in zahlreichen Beiträgen darüber berichtet. Die wichtigsten mit weiteren Links zum Weiterlesen sind:

https://ivva.at/klarstellungen-zur-geldwaesche-nl-26-23/
https://ivva.at/haben-sie-ihr-jaehrliches-geldwaesche-risiko-bestimmt-nl-29-22/
https://ivva.at/nuetzliche-vorlagen-fuer-geldwaesche-pflichten-kostenlos-nl-6b-23/
https://ivva.at/behoerde-meldet-sich-bei-ihnen-vorbereitet-nl-20-21/
https://ivva.at/behoerde-legt-neue-geldwaesche-checkliste-vor-nl-24-22/
https://ivva.at/geldwaesche-risiko-bewertungs-fragebogen-bereits-ausgefuellt-nl-9b-19/


A) Wie sieht also die rechtliche Basis aus, d.h. für welche Gewerbe gelten die Geldwäsche-Regelungen?

Die Pflichten gelten für einige Branchen, hier ein Auszug, der für Sie interessant sein könnte:

  • Immobilienmakler
    Wenn Sie Kauf- und Mietgeschäfte mit monatlichen Mieten von mindestens 10.000 Euro haben. Details unter § 365m1 Abs. 2 Z 2 GewO 1994,
  • Unternehmensberater
    Wenn Sie bestimmte Tätigkeiten erbringen (zum Beispiel Gründung von Gesellschaften, Ausübung der Leitungs- oder Geschäftsführungsfunktion einer Gesellschaft, Bereitstellung eines Sitzes, Ausübung der Funktion eines Treuhänders). Details unter § 365m1 Abs. 2 Z 3 GewO 1994,
  • Versicherungsvermittler (Versicherungsagenten, Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten sowie Gewerbliche Vermögensberater), sofern sie Lebensversicherungen oder andere Versicherungsprodukte mit Anlagezweck vermitteln. Details unter § 365m1 Abs. 2 Z 4 GewO 1994.


B) Ausnahmeregelung für „bestimmte“ Versicherungsagenten

Wichtig: Für Versicherungsagenten gibt es eine spezielle Ausnahmeregelung, die im oben zitierten §365m1 Abs.2 Ziffer 4 der Gewerbeordnung aufgelistet ist:
„Ausgenommen hievon (Anmerkung Redaktion: Gemeint sind die Geldwäsche-Pflichten) sind Versicherungsvermittler in der Form Versicherungsagent, die weder Prämien noch für Kunden bestimmte Beträge in Empfang nehmen und a) keine Versicherungsprodukte vermitteln, die zueinander in Konkurrenz stehen, oder b) nebengewerblich (§ 376 Z 18 Abs. 11) oder in Nebentätigkeit (§ 137 Abs. 3) tätig werden“.

Also, wenn Sie Agent sind, der weder Prämien noch für Kunden bestimmte Beträge in Empfang nimmt und Sie keine Versicherungsprodukte vermitteln, die zueinander in Konkurrenz stehen, oder nebengewerblich (§ 376 Z 18 Abs. 11) oder in Nebentätigkeit (§ 137 Abs. 3) tätig werden, dann fallen Sie unter diese Ausnahmeregelung. Heißt also vereinfacht, dass die Geldwäschebestimmungen auf echte Mehrfachagenten anzuwenden sind, wenn diese im Zusammenhang mit Lebensversicherungen und anderen Dienstleistungen mit Anlagezweck tätig werden.

Wie genau der Agent, dem das Schreiben von der Bezirkshauptmannschaft ins Haus geflattert ist, sein Geschäft abwickelt, wissen wir nicht, aber alleine durch seine nebenberufliche Tätigkeit fällt er nicht unter die Geldwäsche-Pflichten.

 

C) Frage: Warum bekommt der Agent trotzdem dieses Schreiben?

Genau wie wir hat auch die Behörde keine detaillierten Informationen über den betreffenden Agenten. Wahrscheinlich wählte die Behörde stichprobenhaft Versicherungsvermittler aus. Warum man sich gerade einen Ausschließlichkeitsagenten herauspickte, können wir aus der Ferne nicht sagen.

Vielleicht schickt man solche Schreiben auch manchmal rein auf Verdacht hin aus! Oder ein Computer-Programm wählte jeden Hundertsten aus?
Wir wissen es nicht. Auf jeden Fall gilt: Ignorieren solcher Behörden-Schreiben ist gefährlich. Strafen bis zu 20.000 € und ein Besuch des Finanzministeriums drohen!
D.h. auch wenn Sie z.B. von der Gewerbebehörde aufgefordert wurden, die Risikobewertung vorzulegen, aber glauben, das kann für Sie nicht gelten: Keinesfalls ignorieren. Sondern eine Negativmeldung absenden.

Diese Negativ-Meldung müssen Sie seit 2021 online durchführen. Den Link dazu finden Sie in unserem Beitrag hier: https://ivva.at/behoerde-meldet-sich-bei-ihnen-vorbereitet-nl-20-21/


Wenn Sie also durch das Behörden-Schreiben feststellen: Hoppala, das gilt ja auch für mein Unternehmen, dann sollten Sie sofort mit allen Vorkehrungen zur Vermeidung von Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierung beginnen
(etwa Risikobewertung des eigenen Unternehmens, Identität der Kunden prüfen). Denn dann wird es höchste Zeit….

Was genau Sie dann tun müssen, haben wir u.a. hier ausgearbeitet:

 

Tipp: Die Risikobewertung müssen Sie zumindest 1x jährlich oder immer dann, wenn sich etwas geändert hat, erstellen, abspeichern und zumindest 5 Jahre aufbewahren. Und immer wieder bearbeiten/ abändern, wenn sich im Unternehmen etwas geändert hat. Wer z.B. russische Kunden hat, musste nach Russlands Überfall auf die Ukraine die Risikoeinschätzung ändern, weil sich dadurch das Risiko stark erhöht hat.

Daher: Dieser Fragebogen sollte unserer Einschätzung bewusst alle paar Monate oder routinemäßig, z.B. pro Jahr 1-2 x überprüft werden, um losgelöst vom Tagesgeschäft, die aktuelle Risiko-Lage des Unternehmens, der betreuten Kunden, etc. beurteilen zu können.
Tipp: Erstellen Sie sich eine Aufgabe im Outlook, damit Sie daran erinnert werden. Denn ansonsten droht diese Aufgabe angesichts der Vielzahl an Arbeit und bürokratischen To Do’s einfach unterzugehen und vergessen zu werden.

 

D) Klarstellungen zur Ausnahmeregelung für bestimmte Agenten

Da uns dazu immer wieder Rückfragen erreichen, fassen wir unsere Tipps dazu nochmals zusammen.

Zum Erinnern, die Ausnahmeregel lautet: Wenn Sie Agent sind, der weder Prämien noch für Kunden bestimmte Beträge in Empfang nimmt und Sie keine Versicherungsprodukte vermitteln, die zueinander in Konkurrenz stehen, oder nebengewerblich (§ 376 Z 18 Abs. 11) oder in Nebentätigkeit (§ 137 Abs. 3) tätig werden.

Hintergrund der Regelung war wohl, dass der Gesetzgeber jene Personen und Firmen von den „Geldwäsche-Pflichten“ ausnehmen wollte, bei denen das Risiko sehr gering ist.
So entstand wohl die Ausnahme für jene, die nur nebengewerblich oder in Nebentätigkeit als Agent tätig sind.

 

Für die „hauptberuflichen“ Agenten bleibt nun der Frage, ob sie Prämien oder Beträge, die für den Kunden bestimmt sind, entgegennehmen UND keine Versicherungsprodukte vermitteln, die zueinander in Konkurrenz stehen:

– Wenn Sie also keine Gelder entgegennehmen UND entweder Ausschließlichkeitsagent sind oder Mehrfachagent ohne konkurrierende Produkte (dh. Haushalt von Versicherung A, KFZ von B, Unfall von C etc), dann fallen Sie unter die Ausnahme, weil sie keine konkurrierenden Produkte anbieten (können). Also keine „Geldwäsche-Pflichten“.

– Wenn Sie keine Gelder entgegennehmen UND Mehrfachagent sind, der konkurrierende Produkte anbietet, dann haben Sie „Geldwäsche-Pflichten“, weil ein UND in der Formulierung der Ausnahme ist.
Und zur Klarstellung:
Wenn Sie als Mehrfachagent z.B. Haushaltsversicherungen mehrerer Versicherer anbieten, dann sind das konkurrierende Produkte und Sie müssen statt einer Negativmeldung eine „normale Meldung“ abgeben.
– Gleiches gilt für den Fall, dass Sie Prämien oder Beträge entgegennehmen, die für den Kunden bestimmt sind.

 

Mag. Novotny und das IVVA-Team hoffen Ihnen damit wieder einen vereinfachten Überblick und praxisnahe Handlungsanleitung gegeben und damit geholfen zu haben, sich besser zurecht finden zu können.

Sollten Sie noch keinen Anwalt haben: Mag. Stephan Novotny, ein auf Versicherungs- und Datenschutzrecht spezialisierter Fachanwalt steht gerne zur Verfügung, für IVVA Mitglieder sogar zum Spezialpreis.

 

RA Mag. Stephan Novotny, Foto: Stephan Huger
RA Mag. Stephan Novotny, Foto: Stephan Huger

 

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RA Mag. Stephan Novotny

1010 Wien, Landesgerichtsstraße 16/12

kanzlei@ra-novotny.at

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