Interview mit Mag.a Birgit Eder,
Hauptbevollmächtigte der ARAG SE, Direktion für Österreich
Im ersten Teil des Interviews sprachen wir unter u.a. darüber wie sich die ARAG in den letzten 12 Monaten entwickelte und welchen Anteil daran die Versicherungsagenten hatten. Dann fragten wir nach, wie Mag.a Eder die Auswirkungen der DORA auf die Branche bzw. die Vermittler einschätzt. Zum Nachlesen hier klicken…
Im heutigen Teil des Interviews sprechen wir mit Mag.a Eder über die Folgen und Auswirkungen der Digitalisierung und was die vielzitierte Künstliche Intelligenz im Versicherungsbereich tun soll. Auch erfahren wir, was das KI- und Cyber-Paket der ARAG enthält. Dann sprechen wir über den „gläsernen Akt“ und das neue Partnerportal.
IVVA: Vorige Woche sprachen wir über die Auswirkung von DORA auf den Versicherungsbereich ganz allgemein und auf die Vermittler im Speziellen. Kommen wir nun zum Themenbereich Digitalisierung. Damit Digitalisierung funktioniert, müssen sowohl die Vermittler, als auch Kunden mitspielen? Wie sind da Ihre Erfahrungswerte?
Mag.a Eder: Wir sehen die Digitalisierung nicht als Konkurrenz für persönlichen Umgang und Beratung, sondern als Ergänzung, die weitere Möglichkeiten schafft. Organisatorische Dinge können automatisiert werden und damit haben unsere Juristen und Berater/Vermittler mehr Zeit, um sich den Bedürfnissen unserer Kunden und Vertriebspartner zu widmen. Damit werden sowohl auf Versicherer-Seite als auch auf Seiten unserer Vertriebspartner wertvolle Ressourcen frei.
IVVA: Die Corona-Pandemie hat wohl unweigerlich in der gesamten Branche zu einem Digitalisierungsschub geführt. Auch bei ARAG?
Mag.a Eder: Bei ARAG hat sich seit der Corona-Krise viel getan. So haben wir für unsere Vertriebspartner einen neuen Tarifrechner gelauncht, die erste BiPro-Rechtsschutz-Schnittstelle zur Verfügung gestellt und ein neues Partner-Portal gebaut.
Seit Beginn dieses Jahres steht unseren Vermittlern auch der neue Branchenassistent zur Verfügung – möchte man einen Firmenkunden versichern, reicht es nun die Firmenbuchnummer einzugeben, um die zu versichernden Branchen anzuzeigen. Das erzeugt Transparenz und vereinfacht den Abschlussvorgang erheblich.
IVVA: KI ist aktuell in aller Munde. Für schnelle Übersetzungen scheint das schon ein sehr gutes Tool zu sein. Aber laut einer aktuellen Studie des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) sind Systeme mit Künstlicher Intelligenz (KI) in der Lage, Menschen zu täuschen – selbst wenn sie darauf trainiert wurden, hilfreich und ehrlich zu sein. Außerdem „erfinden KI-Systeme einfach Fakten“ . Da die KI diese „Fakten“ aber so überzeugend formuliert, dass man solche Erfindungen oft nicht erkennt, sehen viele darin ein großes Gefahrenpotential für unsere Gesellschaft, aber auch die Unternehmen, die darauf vertrauen. Erst kürzlich wurde bei einem US-Gerichtsverfahren festgestellt, dass die vorgelegten Präzedenz-Urteile von ChatGPD komplett erfunden waren.
Ist es wirklich schlau, so eine Technologie im Versicherungsbereich einzusetzen, wo es um die Absicherung von existentiellen Risiken geht?
Mag.a Eder: Bei der KI ist es wie bei allen Tools – ob es hilfreich ist und korrekt und auch ethisch eingesetzt wird, liegt an den Personen oder dem Unternehmen, die es einsetzen. Sie bietet sicher eine große Chance und man sollte sich dieser nicht verschließen. Wichtig ist aber ein umsichtiger Umgang damit.
Automatisierung und KI werden bei uns, auch im Konzernumfeld, sorgsam getestet und integriert. Wir haben einen eigenen internationalen AI-Think Tank, bei dem insbesondere die kritischen Aspekte der KI diskutiert und Handlungsmaßnahmen erarbeitet werden. Etwa arbeiten wir im Hintergrund bereits mit automatisierter Dokumentenindizierung mittels KI, die eine Zuordnung von Dokumenten zu den richtigen Stellen gewährleistet.
Wir sehen die KI derzeit als wichtige Unterstützung zur Effizienzsteigerung oder Erleichterung von Prozessen. Bei einer rechtlichen Auskunft vertrauen wir aber lieber unseren 45 hauseigenen Juristen und gehen davon aus, dass letztendlich immer ein Jurist über rechtliche Inhalte verbindliche Aussagen treffen sollte.
IVVA: Zusatzfrage: Was umfasst das KI- und Cyber-Paket, von dem ich auf Ihrer Webseite gelesen habe, bzw. für wen ist es gedacht? Was ist inkludiert, etc.
Mag.a Eder: Das KI- und Cyber-Paket ist ein Zusatzpaket zu unserem Betriebs-Rechtsschutz und soll Unternehmen für rechtliche Schwierigkeiten aus diesem Bereich wappnen, da diese eine existenzbedrohende Wirkung haben können. Es beinhaltet:
- KI-Rechtsschutz
Dieser bietet Schutz für rechtliche Probleme aus der Verwendung von Systemen der künstlichen Intelligenz. Wenn etwa ein Unternehmen seine Homepage mittels künstlicher Intelligenz erstellt und dann mit Urheberrechtsverletzungen konfrontiert wird, weil die KI etwa Inhalte oder Bilder verwendet hat, die jemand anderem gehören. Weiters sind behördliche Verfahren und Gleichbehandlungsverfahren unter Versicherungsschutz.
- Cyber-Rechtsschutz
Hier bietet die ARAG rechtliche Hilfe, wenn das Unternehmen des Kunden Opfer einer Cyberattacke geworden ist, Kundendaten geleakt werden und der Kunde plötzlich dem Vorwurf ausgesetzt ist nicht ausreichend für die IT-Sicherheit vorgesorgt zu haben. Es drohen Schadenersatzansprüche und strafrechtliche Verfahren, bei denen rechtliche Unterstützung notwendig wird.
- Cyber-Assistance (Serviceleistung)
Bietet die technische Hilfe zur rechtlichen Unterstützung bei Cyberangriffen. ARAG kooperiert hier mit Europe Assistance. Kunden erhalten unmittelbare Hilfe per Fernwartung ihrer Systeme um den Angriff zu stoppen und Daten wieder herzustellen. Die rechtliche Hilfe kommt anschließend von unseren Juristen.
- Online-Reputations-Rechtsschutz
Auf einer Bewertungsplattform werden online unwahre Tatsachen über das Unternehmen des VN behauptet oder der VN oder Mitarbeiter von ihm werden online persönlich beleidigt.
ARAG hilft u.a.
- Die Löschung einer unwahren Tatsachenbehauptung auf einer Bewertungsplattform zu erreichen
- Gegen den Verfasser der Bewertung vorzugehen
- Löschungs- und Unterlassungsansprüche wegen Verletzung der Online-Reputation natürlicher Personen durchzusetzen
- Identitätsmissbrauch im Betriebsbereich
IVVA: Kommen wir zurück zur Digitalisierung: Könnten Sie jenen Vermittlern, die die Digitalisierung als Feind sehen, in ein paar Sätzen berichten, welche Vorteile digitalen Prozesse im Vorder-/ Hintergrund auch für die Vermittler bringen (also z.B. dass man mehr Kunden in der gleichen Zeit betreuen kann, weil man sie auch online betreuen kann, die Kunden rascher die Angebote bekommen (weil man weniger Unklarheiten nachfragen muss, etc.), die richtigen Produkte erhalten, usw..
Mag.a Eder: Die Digitalisierung bietet in diesem Bereich neue Möglichkeiten. Wir haben neue Kommunikationswege geöffnet. So gibt es etwa die Möglichkeit Beratungen per Video in Anspruch zu nehmen. Weiters haben wir einen Live-Chat eingeführt, wo Kunden und Vertriebspartner in Echtzeit mit uns chatten können. Einen neuen Chatbot gibt es auch. Hier kann der Kunde einen Verkehrsunfall leicht melden und wird Schritt für Schritt durch die Schadenmeldung geleitet.
Daher: Wie eingangs betont: Wir sehen die Digitalisierung nicht als Konkurrenz für persönlichen Umgang und Beratung, sondern als Ergänzung, die weitere Möglichkeiten schafft.
IVVA: Sie erwähnten eingangs eine neue BiPRO-Schnittstelle, die ist wohl auch ein Vorteil für alle Beteiligten?
Mag.a Eder: Genau, unsere neue BiPRO-Schnittstelle zu externen Vermittlersystemen und Vergleichsrechnern ist ein gutes Beispiel dafür, wo eine gelungene Digitalisierung enorme Zeitersparnis, sowohl IT-seitig, als auch für den Fachbereich und die Vermittler, bringt. So erhält die Versicherung etwa strukturierte Daten, welche automatisiert verarbeitet werden können. Von Seiten des Vertriebspartners müssen Inhalte der Versicherung nicht mehr manuell eingearbeitet werden, sondern stehen jederzeit aktuell über die Schnittstelle zur Verfügung.
Während solche Schnittstellen in anderen Versicherungssparten, insbesondere in der Kfz-Versicherung, bereits üblich sind, ist die ARAG der Pionier auf dem österreichischen Markt und bietet als Erster eine BiPRO-Schnittstelle für die Rechtsschutzversicherung an.
Weiters arbeiten wir im Hintergrund in verschiedenen Bereichen an automatisierter Verarbeitung, sodass Vertriebspartner und Kunden noch rascher und effektiver serviciert werden können. Der ARAG Branchenassistent ist der neueste Coup und eine echte Marktinnovation.
IVVA: Zwei weitere interessante Punkte fielen mir auf Ihrer Webseite auf: Einerseits las ich vom „gläsernen Akt“ und vom „Tarif-Rechner“, mit dem man „bequem vom Büro oder unterwegs aus für Ihre Kunden Angebote berechnen, Anträge erstellen und auch direkt an uns übermitteln“ kann.
Ich denke, das sind zwei weitere hervorragende Beispiele für die Digitalisierung. Könnten Sie dazu unseren Lesern berichten, was ich als Vermittler damit machen kann?
Mag.a Eder: Der ARAG-Tarifrechner ist eine Web-Anwendung welche es registrierten Vertriebspartnern ermöglicht, die Produkte nach den Bedürfnissen der Kunden zu kalkulieren, Angebote und Anträge für die Produkte zu erstellen und diese sogleich zu übermitteln. Der Vertriebspartner sieht im Tarifrechner alle bei ARAG bestehenden Kundenverträge, die er vermittelt hat und erspart sich so bei Konvertierung die Daten nochmals einzugeben. 2023 haben wir die digitale Unterschrift in das Tool integriert.
Seit diesem Jahr bietet der Tarifrechner weitere Vorteile:
- Webapplikation (keine Client Installation mehr notwendig) – einfach registrieren und einloggen.
- Funktioniert mit jedem gängigen Browser (Voraussetzung HTML5 fähig).
- Tablet fähig.
- Berechnungen können im Tarifrechner abgespeichert werden und zu einem späteren Zeitpunkt weiterbearbeitet werden.
IVVA: Und was kann ich mit dem gläsernen Akt tun?
Mag.a Eder: Der gläserne Akt wird in Kürze durch unser neues Partnerportal ersetzt. Das Ziel ist, durch moderne Technologie die Zusammenarbeit mit ARAG zu optimieren und noch einfacher und zeitsparender zu gestalten.
Via Internet können unser Vertriebspartner Daten zu den jeweiligen Versicherungsverträgen abfragen. Hierbei legen wir größten Wert auf Datensicherheit.
- Vermittler erhalten generell Auskunft zu Verträgen. (Prämienzahlungen, Zahlungsweisen, etc.)
- sie können den Maklerdatensatz anfordern, bzw. downloaden.
- sie können Provisionsnoten downloaden.
- sie können Ihre Stammdaten ändern.
- sie können uns direkt eine Mitteilung senden.
IVVA: Wann genau planen Sie den gläsernen Akt abzuschalten?
Mag.a Eder: Das neue ARAG Partnerportal ersetzt den Gläsernen Akt. Das Altsystem, unser „Gläserne Akt“ wird per 1.11.2024 abgeschaltet. Bis dahin sollten alle unsere Vermittler bereits Zugang zu unserem neuen ARAG Partnerportal haben.
Hier nochmals die Vorteile im Überblick:
- Vermittler müssen keine Clientzertifikate mehr installieren
- die Nutzung ist jetzt Geräte unabhängig – sie ist auch mobil verwendbar
- Man erhält aktuelle Statistiken über Keyfacts wie ablaufende Verträge oder Verträge in Mahnung
- Download von allen Dokumenten wie OMDS Daten, Provisionsnoten, Vertragsdokumenten in einfacher Form
- Einsicht zu Verträgen
- Direkter Sprung in den Tarifrechner / selbes Loginsystem
Und nächste Woche erfahren wir von Mag.a Birgit Eder Details zu neuen Produkten und Services und vor allem über die Markt-Innovation Branchen-Assistent. Weiters sprechen wir über die Aus- und Weiterbildung, auch um zum Rechtsschutz-Profi zu werden. Auch den Spezialbereich Cyber-Versicherung sowie IDD-/DSGVO-Fragen besprechen wir. Auch zu den Bereichen Nachhaltigkeit, Nachwuchs und Nachfolge erfragen wir die Ansichten von ARAG.
Ebenso erfahren wir, ob ARAG weitere Agenten als Vertriebspartner sucht und wo die Vorteile der ARAG ganz besonders liegen…