Interview Helvetia; Bernd Allmer, Leiter HR und Services
IVVA: Bei meinem letzten Gespräch in Ihrem Haus, konkret mit Vorstand Panhauser, hörte ich u.a. Helvetia komme sehr gut mit der Fusion voran. Die Mitarbeiter fühlen sich sehr wohl, was bei Fusionen eher selten der Fall ist. Das Unternehmen sei auch am Markt weiterhin sehr erfolgreich. Sowohl bei den Kunden, als auch bei den Agenten geht es stark bergauf. Und auch vom Nachwuchs-Problem scheint Ihr Haus nicht betroffen zu sein. (Zum Nachlesen des Interviews hier klicken…)
Das macht natürlich neugierig. Noch dazu, wo kürzlich das Markforschungsinstitut erhob, dass das Vertrauen in Versicherungsvermittler um 3 Prozent auf 40 % gesunken sei, womit unsere Branche auf den drittletzten Platz zu liegen kommt (gerade noch vor Werbefachleuten und Politikern). Gleichzeitig zeigt eine andere aktuelle Umfrage, dass Helvetia zum beliebtesten Arbeitgeber der heimischen Finanzbrache gewählt wurde.
Daher frage ich Sie Herr Bernd Allmer, als Leiter der Personalabteilung: Was machen Sie anders, als die gesamte Branche, dass für Sie Image, Nachwuchs und Nachfolge keine Probleme darstellen? Denn seit Jahren liest man, dass die Branche tausende Leute sucht und nicht findet.
Allmer, Helvetia: Ich freue mich über Ihren Besuch und möchte mich zunächst Ihren Lesern vorstellen: Mein Einstieg in die Branche erfolgte vor 17,5 Jahren bei der Volksfürsorge Jupiter, die dann in der Wüstenrot aufgegangen ist. Ich war dort als Personalentwickler tätig und für Schulungen zuständig. Eine Zeit lang war ich auch als BÖF-Prüfer tätig. Vor meinem Wechsel zur Helvetia legte ich einen Zwischenschritt zu einem Industrieunternehmen ein, wo ich für „HR und Change Management“ zuständig war, was eine hervorragende Basis für meine jetzige Tätigkeit darstellt.
IVVA: HR steht für Human Resources, also Personalleitung, etc. Was genau versteht man unter „Change Management“?
Allmer, Helvetia: Unter „Change Management“ versteht man das Anpassen der Strukturen, Abläufe und Strategien im Unternehmen auf geänderte Rahmenbedingungen. Der Unternehmenserfolg hängt ganz entscheidend davon ab, wie sensibel die Mitarbeiter auf solche – oft nötigen – Veränderungen vorbereitet werden. Da haben wir im Zuge der Fusion Helvetia-Basler offensichtlich einiges richtig gemacht.
IVVA: Wie geht man dabei vor?
Allmer, Helvetia: Man muss die Mitarbeiter abholen und auf die Reise mitnehmen. Sie informieren und motivieren. Dazu muss ich mir überlegen: Was muss das Unternehmen bieten? Was brauchen die Mitarbeiter in der jeweiligen Phase, um sich persönlich entwickeln zu können? Aber auch, wie muss ich die Organisation weiter entwickeln, um die Unternehmensziele erreichen zu können. Dazu muss ich aber diese Ziele, aber auch die individuellen Ziele des einzelnen Mitarbeiters kennen.
IVVA: Klingt schön und wie aus dem Lehrbuch, könnten Sie mir ein praktisches Beispiel bringen, wie sich die gute Behandlung der Mitarbeiter am Markt niederschlägt?
Allmer, Helvetia: Gerne: Ich bin für Personal und Services zuständig. Als Unternehmen versuchen Sie sich am Markt von den anderen abzuheben. Also ein besseres Produkt zu haben oder etwa die Servicequalität zu heben. Beides wird von den Kunden bemerkt und geschätzt.
Aber: Servicequalität können Sie nur dann verbessern, wenn Sie im Inneren einen guten Kontakt zu den Mitarbeitern haben, diese gut behandeln, d.h. auf deren Bedürfnisse eingehen.
Mein Ziel ist, dass die Mitarbeiter sagen, ich haben einen tollen Arbeitsplatz, ich fühle mich wohl, werde wertgeschätzt, man agiert mit mir auf Augenhöhe. Ich als Personalist bin überzeugt, dass dann meine Mitarbeiter mit gleicher Wertschätzung und gleichem Respekt unsere Kunden behandeln werden.
IVVA: Lässt sich so etwas messen, also „beweisen“?
Allmer, Helvetia: Ja. Und das ist ganz wichtig. Dazu haben wir ein Stimmungsbarometer im Unternehmen eingeführt: Mit 9 einfachen Fragen an die Mitarbeiter versuchen wir ins Unternehmen hineinzuhören. Etwa: Bist du schon „angekommen“? Sind Dir Deine neuen Aufgaben klar? Wie klappt die Zusammenarbeit mit andere Abteilungen? Siehst du positiv in die Zukunft? Aber auch: Glaubst du an die Gestaltungskraft Deiner Führungskraft? Hast Du Vertrauen in die Marke, das Unternehmen? Etc.
IVVA: Wie geht es dann weiter?
Allmer, Helvetia: Die Antworten werden anonym gegeben, aber abteilungsweise zusammen gefasst. Dann schaut man, wo entwickelt sich das hin? Haben wir ein gutes Niveau erreicht? Wird es besser? Gerade bei Zusammenschlüssen ist die Stimmung meist negativ, wegen der Unklarheiten und Ängste. Dann fragen sich die Mitarbeiter meist: Wo ist künftig mein Platz, nimmt man mir etwas weg, habe ich noch Gestaltungsbereiche, wer wird mein Vorgesetzter, usw. Hier entscheidet sich, ob eine Fusion ein Erfolg wird oder nicht.
Wir führten also viele Gespräche in den letzten Monaten. Feedback ist besonders wichtig. Mitarbeiter müssen wissen, wie ihre Situation ist, wo das Unternehmen steht und was der eigene Beitrag bzw. der Beitrag der eigenen Abteilung für den Unternehmenserfolg darstellt. Ganz nach dem Motto: Geht es dem Einzelnen gut, geht es dem Team, dem Unternehmen und letztlich auch den Partnern und Kunden gut.
IVVA: Was machen Sie mit den oben erwähnten abteilungsweisen Auswertungen der Fragen?
Allmer, Helvetia: Weitere Gespräche zwecks Rückmeldung führen. Und mit der Führungskraft Maßnahmenvorschläge erarbeiten bzw. sie bei der Informationsweitergabe zu unterstützen.
IVVA: Die Helvetia Versicherung wurde kürzlich als beliebtester Arbeitgeber in der Branche „Banken, Finanzen, Versicherungen“ gewählt. Das scheint Ihre Tätigkeiten als überaus erfolgreich zu bestätigen. Können Sie unseren Lesern mehr zu „kununu“ berichten?
Allmer, Helvetia: In den letzten Jahren hat sich eine Online-Plattform (www.kununu.com) etabliert, die die Attraktivität von Unternehmen bewertet. Und zwar an Hand von Bewertungen der (ehemaligen) Mitarbeiter, Auszubildenden bzw. Personen, die sich um einen Job beworben haben. Diese Plattform hat eine sehr große Beliebtheit bei jungen Menschen und wurde daher auch eine wichtige Plattform für Unternehmen, um sich entsprechend für potentielle Mitarbeiter interessant vorzustellen.
IVVA: Es scheint ein Trend der Zeit zu sein, dass junge Menschen, die das Internet mit der Muttermilch aufgesogen haben, ein besonderes Vertrauen zu Informationen aus dem Netz haben.
Allmer, Helvetia: Genau. Sie suchen gezielt nach Informationen, studieren also die individuellen Homepage des potentiellen Arbeitgebers, aber auch Spezialseiten wie kununu. Zentrale Frage ist: Was bietet mir das Unternehmen? Welche Erfahrungen haben andere vor mir gemacht?
IVVA: Ich möchte auf den Beginn des Gespräches zurückkommen: Unsere Branche hat ein Imageproblem. Warum wird Helvetia zum beliebtesten Arbeitgeber gewählt und hat keine Nachwuchsprobleme? Was machen Sie anders?
Allmer, Helvetia: Als Unternehmen muss ich mir heute ganz gezielt überlegen, wie ich meine potentiellen Mitarbeiter anspreche. Und das muss je nach Generation unterschiedlich passieren, damit meine Botschaften auch zielführend sind!
IVVA: Was kann eine Versicherung, eine Agentur tun, um für junge Menschen attraktiv zu erscheinen, zu sein?
Allmer, Helvetia: Dazu muss ich ein bisschen ausholen. Es gibt 3 Generationen, die derzeit im Arbeitsprozess stehen. Die Babyboomer (zwischen 1950 und 1970 geboren), dann die Generation X (zwischen 1970 und 1990 geboren) und die Nexters oder Generation Y (ab 1980 geboren).
Es gibt eine sehr interessante Studie, die zeigt, dass diese unterschiedlichen Generationen unterschiedliche Werte haben und komplett unterschiedliche Ziele verfolgen, völlig anders ticken, wie man heute sagt. Nur wenn ich das weiß, kann ich die jeweiligen – jungen – Menschen ansprechen und dauerhaft ans Unternehmen binden.
Schauen wir uns die „Nexters“ oder Generation Y“, wie sie auch genannt werden, näher an. Die haben einen komplett anderen Blickwinkel auf die Arbeit. Für die ist eine ausgeglichene Work-Life-Balance wichtiger, daher gehen sie lieber mittags – wenn das Wetter schön ist – mountainbiken. Sie sind aber dennoch lern- und arbeitswillig, aber brauchen außerdem enorm viel Feedback.
IVVA: Wie setzen Sie dieses Wissen als Personalist im Unternehmen um?
Allmer, Helvetia: Einerseits muss ich mich fragen, welche Informationen sprechen die jungen Leute an und diese muss ich dann auf meine Homepage stellen. Warum soll jemand nicht mountainbiken gehen? Ich kann z.B. die Kernzeit abschaffen und flexible Arbeitszeit anbieten, die das ermöglicht. Wenn dieser Mitarbeiter dann nach dem sportlichen Erlebnis gut gelaunt abends zu Kundengesprächen geht oder von zu Hause via Laptop weiterarbeitet und so seine Leitung bringt, soll es mir recht sein (solange er/sie nicht die gesetzlichen Rahmenbedingungen verletzt).
Und hinsichtlich Feedback-Geben läuft er bei mir offene Türen ein. Das ist mein Kern-Geschäft. Es ist Aufgabe der Führungskraft, heraus zu finden, was der Mitarbeiter kann, was ihm wirklich Spaß macht, wohin er sich entwickeln möchte. Wie er sich die Arbeit einteilen möchte, damit die Rahmenbedingungen für ihn passen. Und natürlich muss klar rückgemeldet werden, was er gut macht, wo es noch Verbesserungsbedarf gibt und wie wir dorthin kommen können. Das ist Talente-Management, wie es sich gehört. Dafür reicht aber ein jährliches Mitarbeiter-Gespräch nicht aus. Diese Generation will ständig wissen, wo sie steht, wie sie dran ist. Da wäre ein wöchentliches Feedback ideal, was die Führungskräfte vor große Herausforderungen stellt.
IVVA: Die Führungskräfte, aber auch die Chefs von Agenturen, gehören eher der Generation der Babyboomer an. Haben die Verständnis für diese junge Generation und deren „seltsamen Arbeitsansichten“?
Allmer, Helvetia: Die Babyboomer haben ganz andere Werte – Leistungsorientierung, Pflichtbewusstsein, Solidarität, Gleichberechtigung, etc. Die Arbeit ist ihnen sehr wichtig und hat hohen Stellenwert. Das kann schon einen gewissen „Kulturschock“ auslösen. Aber man darf die Augen vor der sich verändernden Welt nicht verschließen: Je besser man als Unternehmen auf diese neuen Wünsche eingehen kann, umso idealer werde ich als Arbeitgeber gesehen und Nachwuchs ansprechen können.
Die Schwierigkeit besteht also darin, die jeweilige Generation mit den richtigen Botschaften anzusprechen und ihnen dann auch die Möglichkeiten zu bieten, damit er/sie mit Freude arbeiten kann, die Abwechslung findet, die er/sie braucht, das Ausmaß an Selbstbestimmung bekommt, die er/sie braucht. So kann ich den nötigen Nachwuchs finden und halten!
IVVA: Bei Helvetia scheinen die Jungen zu finden, was sie suchen. Wie binden Sie die Jungen ins Unternehmen ein und wie gelingt die gute Zusammenarbeit zwischen den Generationen?
Allmer, Helvetia: Sicher ist, dass für Junge die Work-Life-Balance viel wichtiger als bei den Babyboomern. D.h. die völlige Leistungsorientierung ist nicht so da. Aber sie bringen trotzdem ihre Leistungen, wenn die Rahmenbedingungen passen. Als Führungskraft, die meist ein Babyboomer ist, muss man das wissen und die unterschiedliche Herangehensweise aushalten können.
Es ist in jedem Unternehmen „die“ Herausforderung der Personalabteilung, die Zusammenarbeit über die Generationen hinweg zu schaffen, die Wissensweitergabe zu ermöglichen. Helvetia hat dazu das Projekt „Learning Nuggets“ gestartet.
IVVA: Worum geht es da genau?
Allmer, Helvetia: Wir suchen erfahrene Mentoren, die nach dem „Buddy-Prinzip“ einen Jungen begleiten. Wir haben noch rund 10 Jahre Zeit bis die Babyboomer in Pension gehen. Daher spannen wir einen „alten Hasen“ mit einem Jungen zusammen. Der Buddy achtet beim Tauchen auf die Sicherheit (dort lautet das Motto „tauche nie allein“) und gibt bei Problem Hilfestellung. Bei uns gibt der Erfahrene sein Wissen weiter, führt den Jungen an den Markt heran, hilft bei Problemen, macht aus ihm einen kompetenten Versicherungsvermittler.
IVVA: Klappt das? Geben Mitarbeiter ihr Wissen weiter?
Allmer, Helvetia: Es ist eine freiwillige Tätigkeit, aber ich bin überzeugt, dass viele mitmachen. Auch hier kommt es auf die Wertschätzung und den Umgang mit den Mitarbeitern an. Wenn ich die Erfahrenen einlade, ihnen vermittle du und dein Wissen sind wichtig, bitte sei ein Mentor für einen der Jungen, dann bin ich überzeugt, dass das gelingt. Letztlich profitieren alle davon, denn damit steigt die Wertschätzung zwischen den Generationen.
IVVA: Kehren wir zur Gesamtbranche zurück. Sie haben als Einzelunternehmen gute Reputation, aber unter dem schlechten Image der Branche dürften doch auch Sie leiden. Wie reagieren Sie darauf, was müsste man als Branche noch mehr machen, um erfolgreich zu sein?
Allmer, Helvetia: Wir als Versicherungsbranche leiden an den Folgen der Finanzkrise, obwohl wir diese nicht verschuldet haben. Bedenken Sie: Keine einzige Versicherung musste sich Geld vom Staat holen, um nicht ins Trudeln zu gelangen. Wir stehen also für Sicherheit. Dass dies so ist, sollte man noch mehr bekannt machen. Ist es doch ein Start-Bonus für uns als Arbeitgeber.
IVVA: Zieht das Thema Sicherheit bei den Jungen noch?
Allmer, Helvetia: Unbedingt. Auch die jüngeren Generationen möchten Sicherheit haben. Möchten einen interessanten Job, ein gutes Gehalt haben, um sich ein schönes Leben gestalten zu können. Je mehr Junge von unbezahltem Praktikum zu Praktikum wandern (müssen), umso stärker werden diese Botschaften gehört werden.
Daher: Die ganze Branche sollte definieren, wofür wir stehen. Z.B.: Finanzielle Stabilität. Sichere Branche. Sicherer Arbeitsplatz.
Und dazu noch die generationsbezogenen Botschaften kommunizieren. Etwa: Abwechslungsreiche Tätigkeit, bei der sie die Work-Life-Balance optimal finden können (für die Nexters). Die Generation X setzt auf sinnstiftende Tätigkeit. Also muss man den Jungen klar machen, dass er das bei uns findet. Was kann eine sinnvollere Tätigkeit sein, als Menschen vor existenziellen Risiken zu schützen?
Hier haben wir als Branche noch Schwächen beim Ausloben der Qualitäten unserer Arbeitsplätze. Auch, weil viele draußen nicht wirklich wissen, was ein Versicherungsagent tut. Das sind die ersten Detailfragen bei Job-Messen! Also sollte man die Job-Beschreibungen viel umfassender und interessanter gestalten. Aber immer bedenken: Für die Jungen ist der Job Mittel zum Zweck, um sich ein gutes Leben zu ermöglichen.
IVVA: Vorstand Panhauser hat zuletzt von einem stetigen Wachstum der Agenturen berichtet. Suchen Sie noch weitere Agenturen als Partner?
Allmer, Helvetia: Kurz und bündig: Selbstverständlich.
Sie wissen, dass wir einen vorbildlichen Agenturvertrag verwenden (den Agenturvertrag samt Kommentar des IVVA finden Sie hier… ) weil dieser gemeinsam mit Ihrem Obmann Salek erarbeitet wurde. Immer mehr Agenten suchen nach professionellen, lösungsorientierten Partnern und suchen nach Alternativen. Das schlägt sich auch in einem stetigen Wachstum bei den Agenturen nieder.
Um als Partner noch interessanter zu werden, haben wir das Projekt Columbus gestartet. Wie Kolumbus haben wir uns ab Winter 2015 auf Reise begeben. Unsere Führungskräfte sollen aber kein neues Land entdecken, sondern herausfinden, wie der Verkaufs- und Beratungsalltag in den Regionen aussieht.
Unsere Idee dabei: Wer z.B. Produkte entwirft, soll einen Verkäufer begleiten, um zu erleben, wie solche Produkte in der Praxis beraten, verkauft werden. Um danach die Produkte intelligenter zu gestalten, damit sie noch besser zum praktischen Beratungsprozess passen. Am Ende sollen die Produkte für den Berater, aber auch die Kunden besser geeignet sein.
Umgekehrt soll der Vertrieb sehen, welchen Aufwand er auslöst, wenn er etwas von den Serviceabteilungen möchte. Jeder lernt dadurch den Arbeitsablauf des anderen kennen. Und dank der persönlichen Kontakte lassen sich dann künftige Probleme auf kurzem Wege lösen…
So wollen wir langfristig der beste Partner für die Vermittler sein. Wenn das klappt, kommt der Zuwachs im Agenturvertrieb von ganz alleine….
IVVA: Zum Schluss möchte ich noch das Thema Digitalisierung anreißen. Wie sieht hier die Zukunft der Helvetia aus?
Allmer, Helvetia: Meine Ansicht dazu: Best advice kann ein „robo advisor“ nicht erfüllen. Nur der Berater hat einen umfassenden Blick auf den Kunden und seine Bedürfnisse.
Natürlich geht der Trend in Richtung Internet, weil Kunden immer öfter aktiv nach Informationen suchen. Aber die Digitalisierung wird persönliche Kontakte nicht ersetzen.
Wahrscheinlich werden künftig mehr einfache, standardisierte Produkte online gehen. Das kann klappen, wenn diese überschaubar sind, wenn für die Kunden verständlich ist, was in der Versicherung beinhaltet ist und was nicht. Aber bei komplexeren Produkten wird das nicht gut gehen.
Und ob ein Abschluss eines einfachen Produktes sinnvoll ist – z.B. eine Radversicherung –muss man auch kritisch hinterfragen. Denn bei vielen Haushaltversicherungen ist das inkludiert, d.h. der Kunde hat hier vielleicht Geld beim Fenster hinausgeschmissen. Darauf hätte ihn der Berater hingewiesen, weil der den Kunden, seine Versicherungen und seine Deckungen kennt. Der Computer tut das nicht.
IVVA: Ich höre immer wieder von großen Vorteilen bei der Abwicklung von Schäden.
Allmer, Helvetia: Ja, da kann die Digitalisierung wirklich hilfreich sein. Nehmen wir an, der Agent lädt ein Foto vom beschädigten Produkt in einer App hoch, das kommt sofort zu richtigen Person, die Abwicklung erfolgt prompt. Der Agent erhält eine Kopie vom Vorgang. So macht die Digitalisierung Sinn für alle Beteiligten: Den Kunden, den Agenten und das Versicherungshaus. Also eine win-win-win-Situation.
Auch eine Automatisierung von Prozessen wird kommen. Damit meine ich die Abläufe, die nötig sind, bis der Kunde seine Polizze bekommt. Diese Prozesse müssen möglichst einfach sein. Keine Mehrfacheingaben, um Tippfehler zu vermeiden, etc. Da kann die Digitalisierung helfen, um Fehler zu vermeiden und schneller zu werden.
IVVA: Aber grundsätzlich setzen Sie auch in Zukunft auf Menschen, wie unsere Agenten?
Allmer, Helvetia: Ja. Für uns ist die Schiene der persönlichen Vermittler der Königsweg, d.h. wir glauben an den persönlichen Vermittler. Wir glauben nicht daran, dass in 10 Jahren alles online ablaufen wird.
IVVA: Das heißt, die Agenten brauchen bei Helvetia nicht befürchten, dass sie durch Maschinen ersetzt werden?
Allmer, Helvetia: Wir werden den Teufel tun und gegen die Vermittler arbeiten.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass – selbst ein mündiger – Kunde versteht, was in den x-Seiten Versicherungsbedingungen steht und was das alles für ihn bedeutet. Daher kann man die Tätigkeit des Agenten nicht an den Computer auslagern. Nur der Versicherungsvermittler überblickt – nach langer Ausbildung – die Unterschiede in den Produkten und welche Konsequenzen die Entscheidung für das eine oder andere hätte.
Ich kann mir unterstützende Systeme, die Informationen generieren vorstellen, aber keine Systeme, die allumfassende Beratung liefern. Gerade bei komplexen, persönlichen Fragestellungen! Vergessen Sie nicht: Es geht um die Absicherung von existentielle Risiken. Was ist, wenn der Kunde beim Online-Abschluss etwas übersehen hat, die Konsequenzen falsch eingeschätzt hat?
Der Kunde sollte sich fragen: Wo fühle ich mich wohl und gut aufgehoben? Wem vertraue ich im Schadensfall? Wer hilft mir dann? Der Computer oder der Agent?
Daher ist die Partnerschaft Kunde – Agent auch in Zukunft enorm wichtig und nicht durch Computer ersetzbar.
IVVA: Danke für das schöne Schlusswort.