IDD: EIOPA-Bericht zeigt Vermittlersterben auf.
Teil 1 unserer IDD-Serie zur Markt-Entwicklung.
Wer hoffte, dass der Regulierungszug mit IDD, MiFID-2, PRIIPs und Co ein Ende gefunden hätte, wird enttäuscht. Auf Europäischer Ebene werden die bestehenden Regulierungen seit Monaten einer Überprüfung unterzogen. Das ist an sich ein normales Vorgehen der EU-Kommission, die alle 2-3 Jahre prüft, ob bestimmte Vorschriften diverser Richtlinien ihre Ziele erreicht haben und ob Änderungen erforderlich sind.
Natürlich wird dieses Procedere auch von zahlreichen Lobbying-Gruppen genutzt, um deren Wünsche wieder an die EU-Institutionen heran zu tragen. Daher war zuletzt auch wieder von Provisionsverboten die Rede. Das erscheint uns nicht sehr realistisch. Sehr wohl aber ist zu erwarten, dass wir Adaptionen erhalten werden.
Wir möchten uns im Rahmen unserer IDD-Serie (weitere Beiträge finden Sie auch in unserer Rubrik „IDD leicht gemacht“ – hier…) in den nächsten Wochen ansehen, was die IDD „gebracht hat“.
Stichworte dazu: Vermittlerschwund, Beratungsqualität und Kundenbeschwerden.
All das kann man an den Statistiken der Europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA sehr gut ablesen. Und daraus ableiten, ob die IDD ein Erfolg war oder nicht bzw. für wen! Und was möglicherweise kommen wird.
Nächste Woche sehen wir uns an, ob die Beratungsqualität durch IDD gestiegen ist bzw. worauf man bei Vor-Ort-Prüfungen besonders aufpassen muss, was also das Marktamt, Gewerbebehörden und Co genau kontrollieren.
A) Entwicklung der Vermittler nach Umsetzung der IDD
EIOPA, also die Europäische Versicherungsaufsicht hat sich die ersten 3 Jahre der IDD (erschien 2018) in einem eigenen Bericht angesehen. Den Gesamt-Bericht (leider auf Englisch) der EIOPA zur IDD-Umsetzung finden Sie hier…
Die Länder-Analyse für Österreich (leider nur in Englisch verfügbar) finden Sie hier…
Europaweit gilt: Die Zahl der Vermittler sinkt – aber um wieviel?
Die folgende Graphik aus dem EIOPA-Bericht zeigt deutlich, dass die Versicherungsvermittler europaweit zwischen 2016 und 2020 von 1.022.588 auf 815.219 gesunken sind. Ein Minus von 21%. Siehe blaue Balken:
Allerdings stellt EIOPA fest, dass es schwierig sei, die exakten Zahlen zu erheben. Grund: In der IDD wurde „versäumt, klare Standards für die Datenerhebung und Berichterstattung an die Aufsichtsbehörden festzulegen“, wie das Versicherungsmagazin schreibt.
Warum gibt es orange Balken in obiger Graphik? Das hat mit den oben zitierten fehlenden Standards zu tun. Konkret stellt man bei Tschechien und Luxemburg fest, dass es im Beobachtungszeitraum eine starke „Bereinigung im Vermittlerregister“ gegeben hatte, also „Karteileichen“ gelöscht worden seien. Wenn man also annimmt, dass diese Personen auch bereits 2016 nicht mehr aktiv gewesen seien, dann wäre der Ausgangswert 2016 nicht 1.022.588, sondern lediglich 857.639 Vermittler.
Aber auch bei dieser reduzierten Vermittlerzahl gab es eine Abnahme von rund 858.000 (2016) auf gut 770.000 (2020). Ein Minus von 11%.
Gründe: Offiziell Überalterung und Nachwuchsmangel.
Aber vielleicht auch Dokumentationswut und Überregulierung?
Die Hauptgründe für das Vermittlersterben, die die EIOPA anführt, kennen auch wir in Österreich. Zunehmende Überalterung der Vermittler, Nachwuchsmangel und eine Konsolidierung in Richtung Großvertrieben. Auch Digitalisierung und Online werden im Bericht genannt. Allerdings spiele beides immer noch eine sehr geringe Rolle. Allerdings ist hier anzumerken, dass die entsprechenden Entwicklungen im Zuge der Corona-Pandemie im Bericht „noch nicht eingepreist sind“, also die Zahlen wohl 2021/22 weiter gestiegen sein werden.
Ob dieses Vermittlersterben ein Ziel der IDD gewesen ist, muss stark bezweifelt werden. Und auch die Konsumentenschützer können kein Interesse daran haben, dass die Vermittlerzahl und damit die belebende Konkurrenz sinkt und die Konsumenten künftig vielleicht nur noch 3 Produkte von der Stange weniger Banken zu vergleichen haben?
Immerhin bestätigte der EIOPA-Bericht, dass die erfolgreichsten Vermittler weiterhin die Banken im Lebensversicherungsgeschäft sowie die Ausschließlichkeitsvertreter im Kompositgeschäft seien. Aber auch die Agenten sind in Österreich ein wachsender Vertriebsweg, wie die Wirtschaftskammer-Zahlen zeigen. Wir berichteten über starke Agentenzuwächse hier… https://ivva.at/agentenzahl-waechst-was-bringt-idd-ueberarbeitung-nl-9b-22/
Im Gegensatz zum festgestellten Vermittlersterben war es wohl ein IDD-Ziel, die Konkurrenz zu erhöhen. Konkret sollten europäische Versicherungskunden ein breiteres Angebot durch ausländische Versicherer in Anspruch nehmen können. Also ausländische Vermittler sollten aus dem Ausland „herein arbeiten“ können, wenn „harmonisierte Vermittlerregeln“ erfüllt seien. Wie sieht es damit aus? Auch darüber gibt der EIOPA Bericht Auskunft:
Lediglich 6.670 Vermittler, also nicht einmal 1 % der europäischen Vermittler werden aufgrund der „Dienstleistungsfreiheit“ in einem anderen Land tätig. Und auch diese Zahl sank seit IDD Einführung. Dieses Ziel hat die IDD definitiv verfehlt.
Schlussfolgerungen daraus?
Ja, Überalterung ist ein Problem. Nachfolger zu finden schwierig. Aber könnte an diesem starken Vermittlerrückgang nicht auch eine Überregulierung und ein viel zu viel an Dokumentationen schuld sein?
IDD 2?
EIOPA selbst beantwortet die – nicht gestellte – Frage so, dass es für eine endgültige Bewertung der IDD und deren Umsetzung noch zu früh sei. Man werde sich die IDD noch weitere 2 Jahre ansehen, bevor es zu einer IDD 2 kommen werde.
Erwähnt sei aber noch, dass die diversen EU-Institutionen neben der IDD Überprüfung auch andere Aktivitäten setzen, etwa Konsultationen zum Thema Nachhaltigkeit oder Maßnahmen zum Schutz von Kleinanlegern, die schon vorher zu Veränderungen bei der IDD führen können.
Nächste Woche sehen wir an, ob ein weiteres Ziel der IDD erreicht wurde, nämlich die Beratungsqualität zu steigern. Und in unserer Praxis-Serie zur IDD fassen wir zusammen, worauf man bei Vor-Ort-Prüfungen besonders aufpassen muss, was also das Marktamt, Gewerbebehörden und Co genau kontrollieren.
beste Grüße vom IVVA Team und Mag. Stephan Novotny.
Quellen: EIOPA-Bericht zur Umsetzung der IDD, Versicherungsmagazin
Den Gesamt-Bericht der EIOPA zur IDD-Umsetzung finden Sie hier….
Die Länder-Analyse für Österreich (leider nur in Englisch verfügbar) finden Sie hier…
Für weitere Rückfragen steht Mag. Novotny IVVA Mitgliedern gerne zum IVVA-Sonderpreis zur Verfügung:
RA Mag. Stephan Novotny
1010 Wien, Landesgerichtsstraße 16/12 (neu)