
Seit 28. Juni brauchen Sie eine barrierefreie Webseite. Oder nicht?
Aufgrund von einigen Anfragen informieren wir Sie über das BaFG, dieses gilt seit 28. Juni und heißt Barrierefreiheitsgesetz in Österreich. Damit setzen wir den European Accessibility Act der EU um.
Mit der Richtlinie (EU) 2019/882 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen wurden erstmals EU-weit einheitliche Barrierefreiheitsanforderungen für bestimmte Produkte und Dienstleistungen eingeführt. Das Ziel ist, dass bestimmte Produkte und Dienstleistungen nur dann auf den Markt kommen dürfen, wenn sie die Barrierefreiheitsanforderungen erfüllen. Für bestehende Produkte und bestimmte Dienste gilt eine Übergangsfrist von 5 Jahren.
Damit will die EU EU-weit einheitliche Standards für Barrierefreiheit vorgeben. Um einerseits neue Märkte für die Hersteller von Produkten und Anbieter von Dienstleistungen zu schaffen und andererseits eine selbstbestimmte Lebensführung von Menschen mit Behinderungen ermöglichen. Konkret werden besonders blinde, schwer sehbehinderte, gehörlose und schwer hörbehinderte Menschen, aber auch ältere Menschen davon profitieren.
Auf der Webseite des „Konsumentenschutz“-Ministerium werden Beispiele für Anwendungen genannt, für die das BaFG) Anwendung findet. Für die Finanz- und Versicherungsbranche relevant sind z.B. Bankdienstleistungen für Verbraucher:innen (E-Banking, Apps, Webseiten), aber auch Bankomaten, Zahlungsterminals etc. Zwar nicht ausdrücklich genannt, aber Ähnliches gilt natürlich auch für die Versicherungsbranche.
Aber was bedeutet z.B. „barrierefreie Webseite“?
Einerseits müssen die Inhalte der Webseite so gestaltet sein, dass alle Verbraucher sie wahrnehmen können, unabhängig davon, ob sie visuelle, auditive oder andere Einschränkungen haben. Dazu muss jedes enthaltene Format wie Text, Bild, PDF, Audio oder Video über mehr als nur einen Sinneskanal zugänglich gemacht werden. Das haben Sie vielleicht schon gemerkt, wenn Sie mit der Maus auf einem Bild zu stehen kommen und plötzlich hören, dass eine Stimme sagt, was auf dem Bild zu sehen ist.
Und auch die Bedienbarkeit muss für alle Nutzerinnen und Nutzer einfach gegeben sein, unabhängig von deren körperlichen Fähigkeiten. Und die Webseite muss so robust sein, dass sie mit einer Vielzahl assistiver Technologien – etwa mit Screenreadern – kompatibel ist und korrekt dargestellt wird.
Strafen?
Je nach Art der Verwaltungsübertretung und nach Größe des Unternehmens können die Geldstrafen für Großunternehmen bis zu maximal 80.000 € betragen, für Kleinstunternehmen und KMU sind geringere Strafhöhen vorgesehen. Alle Wirtschaftsakteure sind verpflichtet, mit der Marktüberwachungsbehörde zusammenzuarbeiten.
Ausnahmen?
Eine grundsätzliche Ausnahme von der Erfüllung der Barrierefreiheitsanforderungen gibt es, wenn dies zu einer unverhältnismäßigen Belastung führen würde oder Produkte und Dienstleistungen grundlegend verändert werden müssten. Wann dies genau zutrifft, wird sich wohl erst im Laufe der Zeit herauskristallisieren.
Erleichterungen für Kleinstunternehmen
Kleinstunternehmen, die Dienstleistungen anbieten, sind gänzlich vom Gesetz ausgenommen. Kleinstunternehmen werden definiert als Unternehmen, die weniger als zehn Personen beschäftigen und entweder einen Jahresumsatz von höchstens 2 Millionen € erzielen oder deren Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 2 Millionen € beläuft. Damit werden wohl die meisten Berater und Vermittler unter die Kategorie Kleinstunternehmen fallen. Banken und Versicherungen werden sich aber intensiv mit diesem Gesetz beschäftigen müssen.
Marktüberwachung
Im Sozialministeriumservice/Landesstelle Oberösterreich wurde eine zentrale Marktüberwachung nach dem Barrierefreiheitsgesetz eingerichtet. Das Sozialministeriumservice prüft und kontrolliert, ob jeweils die gesetzlichen Anforderungen eingehalten wurden und setzt die im Bedarfsfall erforderlichen Schritte. Dies kann die Vorschreibung von Maßnahmen (z.B. Behebung formaler Mängel, Herstellung der Barrierefreiheit) bis hin zu einem Verkaufsverbot oder der Verhängung von Geldstrafen sein. Alle Wirtschaftsakteure sind verpflichtet, mit der Marktüberwachungsbehörde zusammenzuarbeiten.
Kontakt:
Sozialministeriumservice – Landesstelle Oberösterreich
Abteilung OÖ6 – Marktüberwachung digitale Barrierefreiheit
Gruberstraße 63, 4021 Linz
E-Mail: marktueberwachung-bafg@sozialministeriumservice.gv.at
Weitere Details zur Marktüberwachung finden sie unter diesem Link.
Auch wenn Sie nicht unter dieses Gesetz fallen, sollten Sie sich dennoch bei anstehenden Änderungen auf Ihrer Webseite überlegen, ob man nicht doch auch Änderungen vornehmen kann / sollte, um das neue Gesetz zu erfüllen. Denn die Umsetzung hilft natürlich allen Kunden und Kundinnen, besonders jenen, die körperliche Einschränkungen haben.
Tipp: Das Sozialministerium hat gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium unter Einbindung des Österreichischen Behindertenrates und der WKO Leitlinien für Kleinstunternehmen zur Anwendung des Barrierefreiheitsgesetzes ausgearbeitet. Die Leitlinien sollen als Wegweiser für das neue Barrierefreiheitsgesetz dienen, von dem alle Kleinstunternehmen profitieren können.
Beste Grüße von Mag. Stephan Novotny und dem gesamten IVVA-Team.
Quellen: Webseite Sozialministerium, Business-Wissen.de

RA Mag. Stephan Novotny, Foto: Stephan Huger
RA Mag. Stephan Novotny
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