IVVA: Schön, dass Sie auch heuer wieder die Gelegenheit nutzen, um mit uns über topaktuelle Themen ein Gespräch zu führen. Im letzten Interview sprachen Sie davon, dass Sie eine gute Zusammenarbeit mit den anderen Berufsgruppen anstreben werden. Ist das gelungen?
Obmann Grandits: Ja. Ich habe eine gute Gesprächsbasis zu den anderen Berufsgruppen und somit auch zum neuen Makler-Obmann Berghammer. Wir haben im Zuge der Umsetzung der IDD, der neuen Versicherungsvertriebsrichtlinie, ein gemeinsames Positionspapier erarbeitet und werden dieses gemeinsam umzusetzen versuchen.
IVVA: Was steht in diesem Positionspapier und wo liegen die gemeinsamen Interessen von Agenten und Makler bei der Umsetzung der IDD?
Obmann Grandits: Da steht zum Beispiel drinnen, dass die IDD auch positive Punkte enthält. Nehmen wir als Beispiel die Bestimmung, dass die IDD für den gesamten Versicherungsvertrieb gelten wird. Also wird künftig auch der angestellte Außendienst der Versicherer erfasst und von Wohlverhaltensregeln betroffen sein. Es ist überaus positiv zu sehen, dass nicht nur Agenten und Makler ganz detailliert reguliert werden und auch die Führungskräfte (die IDD spricht von Leitungsorganen) in die Weiterbildungsverpflichtung einbezogen sein werden.
IVVA: Zwischenfrage zur Stundenzahl, ist sie Ihrer Meinung nach zu hoch?
Obmann Grandits: Nein. Ich denke, die nun vorgesehenen 15 Stunden sind ein guter Wert, sind jedem zumutbar und bewältigbar. Aber die vorher angesetzten 200 Stunden in 5 Jahren waren zu hoch gegriffen, das wären 40 Stunden pro Jahr gewesen.
Wir – d.h. die Gremien der Versicherungsagenten als gesetzliche Berufsvertretung der Versicherungsagenten – sind künftig für das Weiterbildungsangebot zuständig. Und wir müssen uns intensiv um die zu schulenden Inhalte und Zertifizierung kümmern. Auch hier könnte man mit den anderen Branchen zusammenarbeiten. Und wir möchten, dass Veranstaltungen der einzelnen Berufsgruppen gegenseitig anerkannt werden.
IVVA: Das ist sicherlich ein ziemliches Mega-Projekt, oder?
Obmann Grandits: Ja, durchaus. Daher haben wir Agenten eine österreichweit aufgestellte Arbeitsgruppe zusammengestellt. Diese stellt Überlegungen zu Inhalten, zur Umsetzung, zur Zertifizierungen von Veranstaltern an und hat auch schon Webinare (Online-Kurs) getestet.
IVVA: Wieder zurück zu den Gemeinsamkeiten mit den anderen Berufsgruppen: Wo gibt es weitere gemeinsame Ziele?
Obmann Grandits: Die Provisionsoffenlegung lehnen wir alle ab, auch bei „sonstigen Vergütungen sollen keine Einschränkungen kommen, weil die Qualität der Versicherung hat nichts mit Provisionshöhe oder Vergütungen zu tun.
Ebenso sind wir uns gemeinsam einig, dass die Aufsicht über die Vermittler weiterhin bei der Gewerbebehörde bleiben soll. Bekanntlich gibt es starke Tendenzen, dass die FMA die gesamte Aufsicht, also auch über Versicherungsvermittler bekommen solle. Das hat Dr. Korinek (FMA) erst unlängst bei einer Veranstaltung der Gesellschaft für Versicherungsfachwissen neuerlich deponiert.
Einig sind wir auch darin, dass es bei der Umsetzung kein „gold plating“ geben soll. Unter diesem Schlagwort versteht man, dass die IDD Mindeststandards vorgeben soll und der österreichische Gesetzgeber die Richtlinie nicht wie ein Musterschüler übererfüllt, also noch strenger auslegt. Das sagten auch Universitätsprofessoren bei der zuvor zitierten Veranstaltung.
IVVA: Ein zentrales Thema ist der starke Trend zur Digitalisierung, da hier durchaus auch Gefahren für die Vermittler eintreten können, wenn der Mensch durch Maschinen ersetzt werden sollte.
Wir leben im Jahrhundert der Digitalisierung und daher können wir uns dem nicht verschließen. Schon in den letzten Jahren hat sich das unser Vertriebsleben sehr verändert. Papieranträge und händische Prämienberechnung waren früher. Elektronische erstellte Anträge mit Direkt-Polizzierung sind heute Standard.
Die Digitalisierung wird hoffentlich weitere Erleichterungen in der täglichen Arbeit bringen. Ich gehe aber schon davon aus, dass der Vermittler nicht zu ersetzen ist.
Kunden wollen immer noch die persönliche Beratung haben. Vielleicht ist es in Zukunft noch mehr von Vorteil, sich zu Bürogemeinschaften zusammenzuschließen. Daraus ergeben sich nicht nur Kostenvorteile sondern auch mehr Möglichkeiten im Marktauftritt.
IVVA: Was tut die WKO, damit die Agenten die Digitalisierung überleben?
Obmann Grandits: Fakt ist, dass bis dato im Online-Vertrieb vieles ungeregelt ist, während die menschlichen Vermittler auf Punkt und Beistrich reguliert wurden.
Unsere Position dazu ist, dass die IDD für jede Form des Vertriebs gelten muss. Also nicht nur den Angestellten-Vertrieb, sondern auch den Online-Vertrieb umfasst.
Nach Ansicht aller Experten fällt auch der Online-Vertrieb unter die IDD, wo von einem fairen „level playing field“, also gleichen Spielregeln für alle am Markt Beteiligten die Rede ist.
IVVA: Zuvor fiel das Stichwort Mehrfachagent, der seit vielen Jahren von den Maklern am liebsten abgeschafft würde. Wie ist hier der Status?
Obmann Grandits: Nach unserer Ansicht und nach Einschätzung namhafter Juristen wäre ein Verbot des MFA in Form einer Einschränkung in der Gewerbeordnung ein direkter Eingriff in das Grundrecht der Gewerbefreiheit. Das wäre gleichheitswidrig und ein mögliches Verbot wäre als Marktbeeinflussung einzustufen. Das kann auch nicht im Sinne der Konsumenten und Konsumentenschützer sein, wenn nur noch die 5 großen Versicherungen und deren Produkte am Markt über bleiben würden.
Das wäre genauso, wie wenn man in die Gewerbeordnung rein schreiben würde, dass ein Autohändler nur 2 Automarken verkaufen darf. Das darf nicht sein. Und ich finde es sehr positiv, dass die Makler hier nicht weiter gegen uns vorgehen. Nach Gesprächen mit Makler-Obmann Berghammer bin ich sicher, dass der lange umkämpfte Mehrfachagent von ihnen nicht mehr bekämpft werden wird.
IVVA: Seit Monaten geistert durch die Medien die „Kammerreform“, aufgrund derer die Zahl der Gewerbescheine reduziert werden soll. Hat das Auswirkungen auf unseren Berufsstand?
Obmann Grandits: Ein konkretes Konzept dazu wurde noch nicht präsentiert. Fakt ist, dass die Versicherungsvermittlung ein reglementiertes Gewerbe bleiben wird und alle, die hier tätig werden wollen, ihre Befähigung nachweisen müssen.
Wenn also die rund 70 reglementierten Gewerbe wirklich zahlenmäßig reduziert werden sollten, werden wir nicht darunter fallen.
IVVA: Seit Jahren gibt es einen heftigen Streit um die Vollmachts-Nutzung durch den Agenten. Abmahnungen, Gerichtsurteile für und dagegen. Wie ist hier der aktuelle Status?
Obmann Grandits: Wir haben in den letzten Monaten immer wieder darauf hingewiesen, dass man bei der Verwendung von Vollmachten Vorsicht walten lassen muss, bis der Fall endgültig vor Gericht geklärt ist. Es gibt dazu unterschiedliche Urteile. Ein Urteil sagt eindeutig, dass Vollmachtnutzung auch für Agenten erlaubt ist. (+ Link: Zum Urteil kommen Sie hier…). Doch es gibt einen Bescheid des Wirtschaftsministeriums, der das Benutzen einer Kundenvollmacht den Agenten untersagt. Wir haben dagegen Einspruch erhoben und warten nun auf das Urteil des Obersten Verwaltungsgerichts.
Sachlich kann ich auf einen Artikel von Prof. Hanreich verweisen, der zum Schluss kommt, dass er keinen Widerspruch in der Verwendung von Vollmachten durch Versicherungsagenten sieht. Aber bis zum Vorliegen des Urteils müssen wir warten und bei der Nutzung der Vollmachten vorsichtig sein.
IVVA: Ebenfalls ein jahrelanges Thema ist das schlechte Image, das unserer Branche zugesprochen wird. Sowohl in Österreich, als auch in Deutschland werden Jahr für Jahr Studien vorgelegt, die zeigen, dass wir ganz am Ende der angesehenen Berufe stehen, sogar Steuerbeamte, Journalisten, Gewerkschafter und Telefonkeiler haben bessere Werte als wir.
Was tut WKO, um unser Image zu verbessern? Denn unser Nachwuchs- und Nachfolgeproblem hängt damit wohl ursächlich zusammen…
Die Antwort von Bundesobmann Grandits finden Sie im nächsten IVVA Newsletter.