Neue Dokumente zum Provisionsverbot (auf Deutsch übersetzt) (NL 9c/23)

Foto Mag. Novotny_Stephan Huger

Die Diskussion um ein Provisionsverbot, das die EU zu verordnen droht, reisst nicht ab.

Wir haben schon zwei Mal darüber berichtet. Gleich zum Jahresbeginn haben wir über die Hintergründe der EU-Pläne berichtet (warum fordert die Finanzkommissarin bzw. warum unterstützt die ESMA-Chefin das Verbot, auf welche Studie basiert der Vorschlag,  Kernaussage „Privatanlegern würden überteuerte Produkte verkauft“, in Großbritannien und den Niederlanden hätte „das Zuwendungsverbot zu sinkenden Produktkosten und zu einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis für Anleger geführt“.). Zum Nachlesen hier…

Und im 2. Teil „EU Institutionen lassen nicht locker“ haben wir für Sie die entscheidenden Schriftstücke – Schreiben an und von der EU-Finanzkommissarin – zusammengetragen und auf Deutsch übersetzt, da diese nur in Englisch vorliegen. Zum Nachlesen hier klicken…

Im heutigen 3. Teil sehen wir uns an, wie sich Österreich und Deutschland in dieser Angelegenheit verhalten (werden).
Und hinterfragen die Aussage, dass das Provisionsverbot in UK und Holland um so viel besser sei.
Und was man daraus lernen und in die Argumentation gegen das generelle Provisionsverbot aufnehmen könnte(sollte).


Hier folgt nun der Beitrag, den wir gemeinsam mit RA Mag. Novotny erstellt haben.


Status zum Provisionsverbot, Teil 3:

Wie positionieren sich Österreich bzw. Deutschland?
Auswirkungen von Provisionsverboten in UK bzw. Niederlande?

A) Position von Österreich und Deutschland

Nachdem bereits der deutsche Finanzminister sich in den Reigen der Briefschreiber eingeordnet hatte, sandte auch der österreichische Finanzminister Magnus Brunner einen Brief an Mairead McGuinnes, Kommissarin für Finanzdienstleistungen, in dem er seine Bedenken bezüglich des möglichen Verbots von Anreizen zum Ausdruck bringt.

Das Schreiben haben wir auf Deutsch übersetzt und können Sie hier herunterladen…
Minister Brunner ging im Schreiben auch auf die Studie ein, die von der EU Kommission sozusagen als Grund für das vorgeschlagene Provisionsverbot herangezogen wird. Darin wurde ursprünglich behauptet, dass Produkte mit „Inducements“ um 35 % teurer seien als Produkte ohne Provisionen.

Die Studie – 357 Seiten auf Englisch – kann man hier herunterladen…
Zur Studie findet sich eine interessante neue Aussage auf der Seite der Europäischen Kommission: Nämlich hat die ausführende Firma Kantar „aufgrund eines Fehlers“ die Kernaussage korrigiert: “Kantar bestätigte, dass für die analysierte Stichprobe, die 176 Finanzprodukte umfasste, die Kosten für Produkte mit Anreizen 24-26% höher sind als für Produkte ohne Anreize und nicht 35%, wie zuvor berichtet“. Also nicht 35 %, sondern „nur“ 24-26 % teurer.

Auf Englisch nachlesbar auf der Seite der EU Kommission und zwar hier…

Ob diese Argumentation für den Erhalt der Inducements, also des Provisionssystems, ausreicht, also zu sagen, es ist eh nur um 24-26% teurer, das kann man wohl eher verneinen. Denn die Konsumentenschützer legen den Finger genau in diese „Wunde“ und werden nicht nachlassen.
Ein Beispiel: Vielleicht haben Sie die vorwöchige TV-Sendung „Bürgeranwalt“ gesehen, wo ein Produkt der Generali an den Pranger gestellt wurde. Die dort vertretene Konsumentenschützerin vom VSV sagte plakativ, dass der Berater für 2-3 Stunden Beratung der Kunden für 2 Produkte 8.000 € Provision erhalten hätte.

So eine Aussage hinterlässt natürlich Eindruck und man kann sich vorstellen, dass dieses Argument auch im Europäischen Parlament – sehr Konsumentenorientiert in den letzten Jahren – weiterhin zieht und man wahrscheinlich die Pläne der EU Kommission unterstützen wird.

Daher geht Minister Brunner weniger auf den Fehler in der Studie ein, sondern weist in seinem Schreiben auf eine zentrale Gefahr hin, die ein Provisionsverbot bringen würde, nämlich dass sich Honorarberatung nur die Reichen leisten könnten.

Auf Deutsch übersetzt:
„… dass der Verbraucherschutz durch ein Verbot in einigen Szenarien zwar verbessert werden könnte, dass aber eine Beratungslücke insbesondere für schutzbedürftige Gruppen entstehen könnte, die derzeit eher auf kostenlose (provisionsbasierte) Beratung angewiesen sind“.

Vereinfacht gesagt, wenn Jede/r für eine Beratung bezahlen müsste, egal ob es zum Abschluss kommt oder nicht, dann würde es zwar für den Einzelnen billiger. Aber viele potentielle Interessenten würden dann das Beratungsangebot nicht annehmen, weil sie nicht zahlen wollen oder können.

Und wie positioniert sich das Österreichische Konsumentenministerium?

Das kann man aus einer Anfrage-Beantwortung von Konsumentenschutz-Minister Johannes Rauch ablesen, weil er darin seine Sicht auf Honorar- und Provisionsberatung gab.

Zwar lehnt Minister Rauch das Provisionsmodell nicht komplett ab, aber in seinem Vergleich der Vor- und Nachteile von Honorar- versus Provisionsberatung kommt doch eine gewisse Präferenz für die Honorarberatung zu Tage:

„Verbraucher, die auf eine unabhängige und an ihren Interessen orientierte Beratung Wert legen, sollten die Dienste eines Versicherungsvermittlers in Anspruch nehmen, der auf der Basis eines Beratungshonorars tätig wird“, zitierte FondsProfessionell aus seiner Anfragen-Beantwortung.

Und: Wenn das Provisionsmodell bleiben sollte, befürwortet Minister Rauch eine Zillmerung, also die gleichmäßige Verteilung der Abschlusskosten auf die gesamte Laufzeit. Damit würden die „Vermittler ein Interesse haben, dass der Vertrag höchstmöglich den Verbraucherinteressen entspricht und langfristig aufrechterhalten wird“, so zitierte ihn das FondsProfessionell.

Den Link zum interessanten Beitrag von FondsProfessionell finden Sie unten anbei.
Darin werden die Vor- und Nachteile der Vergütungsmodelle sehr genau beschrieben und zeigen die Argumentation der jahrzehntelangen Diskussion auf.

Vorteil Provisionsmodell: Kosten nur bei tatsächlichem Abschluss. Teilweise Rückforderung nach §176 Abs. 5 VersVG bei Kündigung innerhalb der ersten 5 Jahre.

Nachteil Provisionsmodell: Gefahr, dass „Vermittler entlang seiner Provisionsinteressen verkaufe und nicht entlang der tatsächlichen Kundenbedürfnisse“.

Nachteil Honorarmodell:
Honorar muss auch dann bezahlt werden, wenn kein Vertrag zustande kommt, weil etwa keine Lebensversicherung zum Kunden passt. Auch bekomme Kunde bei Frühstorno das Honorar nicht retour.

Und Deutschland?

Wie Minister Brunner lehnt auch der deutsche Minister Lindner die Provisionsverbots-Überlegungen in der EU-Kommission ab. Zwischenzeitlich hat sich auch Frankreich in die Gruppe der Gegner des Provisionsverbotes eingereiht.

Bereits jetzt erscheint klar: Harte Trilogs-Verhandlungen zwischen EU Kommission, EU Rat und EU Parlament sind zu erwarten. Wer sich durchsetzt bzw. wie ein Kompromiss aussehen könnte (Deckelung?) ist schwer vorherzusehen.


B) Situation in Großbritannien (UK) und Niederlande, nach Provisionsverbot

Die beschworene Gefahr einer Beratungslücke scheint durchaus real zu sein, zumindest wird das seit Jahren über die Entwicklung in UK und auch in den Niederlanden berichtet, wo seit 2013 ein Provisionsverbot besteht.

Konkrete Zahlen nannte kürzlich Christian Nuschele, Standard-Life-Vertriebschef im Interview mit dem Versicherungsjournal: In den UK würden nur 8 % der Menschen eine unabhängige Beratung in Anspruch nehmen. Es sei „eine Beratungslücke („advice gap“) entstanden, weil sich der Großteil der Bevölkerung die Honorarberatung nicht leisten könne oder wolle. Vor Einführung des Provisionsverbotes wären es noch 13 % gewesen. Eine Folge des Provisionsverbots sei, dass sich die unabhängigen Berater in Großbritannien auf vermögende Klientel fokussieren. Die restlichen 90 % der Bevölkerung würden online abschließen, oder das Produkt der Hausbank ohne jegliche Beratung nehmen.

Aus Sicht der Sachversicherungsvermittlung schaut man natürlich auch ganz genau, was Brüssel jetzt bei den Retail Investment-Produkten einführt (Investmentfonds, kapitalbildende Lebensversicherungen). Denn wenn in diesem Bereich tatsächlich ein Provisionsverbot kommen sollte, dann droht, dass dieses künftig für den gesamten Versicherungsbereich kommt. Denn die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt: Im langwierigen Trilog – Verhandlungs“dialog“ zwischen EU-Parlament, EU-Kommission und EU-Rat vor einem Beschluss – erarbeitete Regularien werden in der Regel dann auch auf andere Richtlinien umgelegt. Daher: Was die EU jetzt bei Retail Investment-Produkten durchsetzt, könnte via „copy and paste“ auch bei der IDD-Überarbeitung zur Anwendung kommen.

Beste Grüße von Mag. Stephan Novotny und dem IVVA Team.

 

Quellen: Webseite EU Kommission, Versicherungsjournal, Fondsprofessionell

Weiterlese-Empfehlung: https://www.fondsprofessionell.at/versicherungen/news/headline/provisionsberatung-kein-nein-von-minister-rauch-221495/

 

 

Sollten Sie noch keinen Anwalt haben: Mag. Stephan Novotny, ein auf Versicherungs- und Datenschutzrecht spezialisierter Fachanwalt steht gerne zur Verfügung, für IVVA Mitglieder sogar zum Spezialpreis.

 

RA Mag. Stephan Novotny, Foto: Stephan Huger


RA Mag. Stephan Novotny

1010 Wien, Landesgerichtsstraße 16 / 12

kanzlei@ra-novotny.at

https://www.ra-novotny.at

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