Auch 2022 weiterhin ewiges Rücktrittsrecht bei Lebensversicherungen!
EU erteilt Österreichs Gesetz eine Abfuhr. 2 Monate Zeit um auf Kritik der EU zu reagieren.
Was sollen betroffene Verbraucher nun tun? Dazu haben wir einen Gast-Beitrag von dem auf Wertpapierrecht spezialisierten Anwalt Dr. Walter Haslinger eingeholt. Was ist nun vom neuen österreichischen Gesetz zu erwarten und welche Auswirkungen hat das auf die Kunden und deren abgeschlossene Lebensversicherungen? Gibt es nach wie vor ein lebenslanges Rücktrittsrecht? Zu welchen Konditionen?
Hier finden Sie seinen Input:
Kürzlich hat die EU Kommission Österreich aufgefordert ein Gesetz zu verabschieden, die den EuGH-Urteilen zum Kündigungsrecht gerecht wird. Zur Erinnerung: Nach sehr verbraucherfreundlichen Urteilen entstand 2019 eine österreichische Novelle (die das Kündigungsrecht einschränkte). Doch seither hat der EuGH wieder verbraucherfreundliche Urteile getroffen.
Diese EuGH-Urteile hatte jedoch Österreich nicht umgesetzt. Dies monierte nun die EU-Kommission. Die Republik Österreich hat nunmehr zwei Monate Zeit, um auf diese Beanstandungen zu reagieren. Inzwischen liegt ein Ministerialentwurf zur neuerlichen Änderung des VersVG vor. Dieser sieht nun ausdrücklich vor, dass „eine Rücktrittsbelehrung, die derart fehlerhaft ist, dass sie dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit nimmt, sein Rücktrittsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben, ist einer fehlenden Belehrung gleichzuhalten“ sei.
Tatsächlich haben Verbraucher unter bestimmten Umständen ein „lebenslanges“ Rücktrittsrecht bei Lebensversicherungen, wenn es im Vertrag eine mangelhafte Rücktrittsbelehrung gibt. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits vor mehreren Jahren festgestellt. D.h. Versicherungsnehmer können noch Jahre später vom Vertrag zurücktreten, wenn bei diesen Versicherungen die Rücktrittsbelehrung falsch ist.
In den letzten Jahren gab es zahlreiche Verfahren vor den österreichischen Gerichten und eine zunächst Versicherungsnehmerfreundliche Judikatur des Obersten Gerichtshofes. Doch nachdem diese oberstgerichtliche Rechtsprechung zunehmend massive Auswirkungen bei den heimischen Versicherern bewirkte, griff der österreichische Gesetzgeber den Versicherungsunternehmen de fakto „unter die Arme“ und beschloss eine Gesetzesänderung, die – verfassungsrechtlich und EU-Unionsrechtlich bedenklich – die Rücktrittsmöglichkeiten von Verbrauchern bei unzureichender Belehrung über deren Rücktrittsrechte im Nachhinein zu deren Lasten erheblich einschränkte!
Dem gegenüber hatte der EuGH in weiteren Entscheidungen klargestellt, dass eine Gesetzesregelung, die VersicherungsnehmerInnen anlässlich des Rücktritts nur den Rückkaufswert zugesteht, dem EU-Recht widerspricht. Denn – so der EUGH – damit würde dem Instrument des Rücktrittsrechts jede praktische Wirksamkeit genommen. Dies eingedenk des Umstandes, dass der Versicherungsnehmer den zumeist wesentlich niedrigeren Rückkaufswert ohnehin bei der normalen Vertragskündigung bekommen würde.
Für österreichische Verbraucher/Konsumenten galt daher seit 1. Jänner 2019 (Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 51/2018) bis dato nach wie vor die finanziell nachteilige und EU-rechtswidrige Bestimmung im Versicherungsvertrags-Gesetz, die wohl mehr der Handschrift der Versicherungswirtschaft geschuldet war, als einer rechtskonformen Interpretation EU-rechtlicher Vorgaben.
Der europäische Gerichtshof und die europäische Kommission haben diesem bedenklichen Vorgehen des österreichischen Gesetzgebers jedoch eine Abfuhr erteilt:
Denn schon bisher wurde vom EuGH judiziert, dass dieser ewige Rücktritt nicht nur bei „fehlender“ sondern auch bei „fehlerhafter“ Belehrung zusteht, so der EuGH: Wenn die Informationen des Versicherers so mangelhaft waren, dass dem Kunden eine fundierte Entscheidung nicht möglich ist, dann muss das nationale Gesetz jedenfalls eine längere Bedenkzeit einräumen (C-355/18 bis C-357/18 und C-479/18, Rust-Hackner u. a.).
Diese EuGH-Urteile hatte jedoch Österreich nicht umgesetzt. Dies monierte nun die EU-Kommission. Die Republik Österreich hat nunmehr zwei Monate Zeit, um auf diese Beanstandungen zu reagieren. Inzwischen liegt ein Ministerialentwurf zur neuerlichen Änderung des VersVG vor. Dieser sieht nun ausdrücklich vor, dass „eine Rücktrittsbelehrung, die derart fehlerhaft ist, dass sie dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit nimmt, sein Rücktrittsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben, ist einer fehlenden Belehrung gleichzuhalten“ sei.
Der Gesetzesentwurf stellt weiters klar, dass so lange keine ausreichende/gesetzmäßige Rücktrittsbelehrung erfolgt ist, das Rücktrittsrecht aufrecht bleibt. Damit wird das nach dem europäischen Gerichtshof geforderte „ewige Rücktrittsrecht“ bei einer erheblich mangelhaften Rücktrittsbelehrung nunmehr auch auf Basis der österreichischen Rechtslage einzementiert.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass Versicherungsnehmer, die mit der Performance ihrer Lebensversicherung unzufrieden sind, – nach Inkrafttreten der neuerlichen Gesetzesnovelle – wiederum die Möglichkeit eröffnet wird, ihr Rücktrittsrecht auszuüben und somit das eingezahlte Kapital abzüglich Versicherungssteuer zzgl. 4 % Zinsen für Prämienzahlungen der letzten drei Jahre zurückzuerhalten.
Mancher Versicherungsnehmer ist damit wesentlich bessergestellt, als den Rückkauf/Kündigung der bestehenden Versicherungsverträge; Beispiele aus der Praxis gibt es dazu genug:
Zum Beispiel wurde einem meiner Mandanten von der Versicherung folgendes mitgeteilt: Der Rückkaufswert seiner Fondsgebundenen betrage nicht einmal 11.000 Euro. Der Versicherungsnehmer zahlte jedoch innerhalb von 15 Jahren Prämien in der Höhe von 14.000 Euro ein.
Bereits im Rahmen eines vom VKI geführten Musterverfahrens gegen die Scottish Widows Limited, vormals CLERICAL MEDICAL INSURANCE (CMI) auf bereicherungsrechtliche Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrages mangels gesetzeskonformer Rücktrittsbelehrung gem. § 165a VersVG beurteilte der OGH die Rücktritts-Belehrungen als fehlerhaft und sprach der Klägerin die einbezahlten Netto-Prämien (abzüglich der Versicherungssteuer und Risikokosten) zu.
Oftmals enthalten derartige Lebensversicherungsverträge auch intransparente Klauseln oder es werden überhöhte Kosten verrechnet, die nicht gerechtfertigt sind. Dies vermindert die Performance für den Versicherungsnehmer. Dies kann zu Schadenersatz und Rückforderungsansprüchen für Versicherungsnehmer führen.
Rechtsanwalt Dr. Haslinger bietet Kunden an, die mit der Performance ihrer Lebensversicherung nicht zufrieden sind, die Verträge genau zu analysieren.
In vielen Fällen können Mängel im Produkt entdeckt werden und so ein Mehrwert für den Kunden erreicht werden!
Kontaktdaten:
Dr. Wolfgang Haslinger
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