Einschätzung des OGH-Urteils zur Provisionsabrechnung durch Kanzlei Neumayer, Walter & Haslinger

Neues von der Provisionsabrechnung in der Beratungsbranche

Sehr geehrte Damen und Herren!

Ein jüngstes Urteil des Obersten Gerichtshofs („OGH“) vom 24.03.2014 (8 ObA 20/14w) bringt Bewegung in die Abrechnungsmodalitäten der Agenten!

Vielfach werden in den derzeit gängigen Agentenverträgen Provisionsvorschüsse bzw. der gesamte Provisionsanspruch direkt nach Abschluss eines vermittelten Vertrages an den jeweiligen Agenten ausbezahlt. Bei einer allfälligen späteren Stornierung oder Reduktion des Vertragsvolumens wurde vom Agenten (anteilig) die Provision zurückgefordert bzw. diese im Kontokorrent wiederum abgezogen.

Diesem Vorgehen hat der OGH nunmehr einen herben Schlag versetzt.

Auf die Agenten (sofern diese selbständig tätig sind) ist das Handelsvertretergesetz („HVertrG“) anwendbar. Gemäß diesem (§ 9 HVertrG) entsteht der Anspruch auf Provision mit der Rechtswirksamkeit des vermittelten Geschäfts zwischen dem Unternehmer und dem Dritten spätestens, wenn der Dritte seinen Teil des Geschäfts ausgeführt hat oder ausgeführt haben müsste, hätte der Unternehmer seinen Teil des Geschäfts ausgeführt.

Der Anspruch des Agenten auf Provision entfällt, wenn und soweit feststeht, dass der Vertrag zwischen dem Dritten und dem Unternehmer nicht ausgeführt wird, und dies nicht auf Umständen beruht, die vom Unternehmer zu vertreten sind. Bei Zahlungsverzug des Dritten hat aber der Unternehmer nachzuweisen, alle zumutbaren Schritte unternommen zu haben, um den Dritten zur Leistung zu veranlassen.

Seit einer Entscheidung desselben Senates, welcher auch die jüngste Entscheidung zu diesem Thema fällte (GZ 8 ObA 20/11s vom 29.06.2011) ist klargestellt, dass der Anspruch auf Provision bei einer Vertragserfüllung, welche nicht in einer Einmalzahlung erfolgt (z.B. ratierliche Prämien), auch nur anteilig mit der Zahlung der jeweiligen Rate entsteht, wenn der Kunde die Leistung an den Unternehmer erbracht hat.

In der Praxis sieht das System meist vor, dass der Agent die Provision gleich zur Gänze – zum Teil verdient, zum Teil als Vorschuss – erhält und dieser im Falle der Stornierung anteilig zurückgefordert wird. (Das ermöglicht auch einem neuen Agenten relativ schnell zu Einkünften zu kommen, mit denen ein Überleben möglich ist). Oft wird in den Agentenverträgen vorgesehen, dass es zusätzlich eines Ablaufes der Stornohaftungszeit bedarf um einen Provisionsanspruch entstehen zu lassen und vorher die Zahlung nur ein Vorschuss ist. Im Falle des Stornos wird die Provision anschließend meist nur vom Provisionskonto (Kontokorrent) abgezogen, erst bei einem negativen Provisionskonto kommt es zu tatsächlichen Forderungsstellungen seitens des Unternehmers.

Die Rechtweite des neuen Urteils ist in seiner gesamten Tragweite noch nicht abzuschätzen, wobei davon auszugehen ist, dass eine Reform der bestehenden Agentenverträge bzw. der künftigen Agentenverträge jedenfalls notwendig ist.

Der OGH hat nunmehr festgehalten, das z.B. die Vereinbarung, der Provisionsanspruch würde erst entstehen, wenn der gesamte Vertrag aus der Stornohaftungszeit gelaufen ist, unwirksam ist, da sie gegen einseitig (zugunsten des Handelsvertreters=Agent) zwingende Regeln verstoße. Das HVertrG schließt die Möglichkeit bei Stornos Provisionen zurück zu fordern aber nicht gänzlich aus. In der geltenden Judikatur wird jedoch der Rahmen dafür sehr eng werden:

Der Provisionsanspruch entfällt wenn der Unternehmer gerechtfertigte Gründe für eine Beendigung des Vertrags hat. Zur einvernehmlichen Auflösung wird vertreten dass der Provisionsanspruch trotz fehlender Ausführung des Geschäftes bestehen bleibt, wenn der Auftraggeber die Gründe die zur einvernehmlichen Auflösung geführt haben zu vertreten hat.

Kernpunkt ist aber, die Beweislastverteilung, welcher der OGH im neuen Erkenntnis vorgenommen hat.

Für die Beurteilung der Rückforderungsansprüche ist zu unterscheiden, ob der den Zahlungen zugrunde liegende Provisionsanspruch des Agenten bereits entstanden ist oder nicht.

Ist der Provisionsanspruch noch nicht entstanden, so richtet sich die Rückforderbarkeit nach der Vertragslage, ist der Provisionsanspruch hingegen bereits entstanden (sobald die jeweilige Zahlung erstattet wurde), so ist die Provision nur rückforderbar, wenn feststeht, dass der Vertrag zwischen dem Dritten und dem Unternehmer nicht ausgeführt wird, und dies nicht auf Umständen beruht, die vom Unternehmer zu vertreten sind. Bei Zahlungsverzug des Dritten hat aber der Unternehmer nachzuweisen, alle zumutbaren Schritte unternommen zu haben, um den Dritten zur Leistung zu veranlassen.

Bei Rückforderungen hat– im Gegensatz zur Klage auf Auszahlung von Provisionen – nicht der Agent zu behaupten und zu beweisen, dass der Provisionsanspruch bereits entstanden ist. Vielmehr hat der Unternehmer die Umstände für die Rückforderbarkeit der Provisionszahlungen, also die Voraussetzungen für den Entfall des Provisionsanspruchs darzulegen.

Nun hat der OGH die Maßstäbe daran sehr hoch gelegt!

Der Unternehmer hat im Klagsfall darzulegen

– in welchen konkreten Geschäftsfällen (Rückforderungsfällen) der Provisionsanspruch des Agenten noch nicht entstanden ist (dazu zählen die Nichteinlösung und die anfängliche Nichtausführung von Verträgen, zudem [höchstens] auch die noch nicht liquidierten Zeitperioden bei wiederkehrenden Kundenleistungen; dabei handelt es sich um Vorschussfälle)

– und welche Geschäftsfälle sich auf bereits entstandene Provisionen beziehen (dies sind Stornofälle und nachträgliche prämienrelevante Vertragsänderungen mit Prämienherabsetzung oder Prämienaussetzung).

– wann die Stornierung oder die Vertragsänderung zu den einzelnen Geschäftsfällen erfolgt ist (dies ist für die Aliquotierung der Rückforderung laut Vergütungsordnung nach Maßgabe der restlichen Stornohaftungszeit von Bedeutung),

– in welchem betraglichen Ausmaß und in welchem Verhältnis zur gezahlten Provision die Partnergesellschaft die Provision des Unternehmers gekürzt hat (dies ist zur Festlegung der Stornoquote von Bedeutung),

– ob der Unternehmer die Provision in diesem Umfang tatsächlich an die Partnergesellschaft zurückgezahlt hat,

– welche Provision der Agent aus dem jeweiligen Geschäftsfall erhalten hat,

– welcher Rückforderungsbetrag sich aus der Stornoquote gegenüber dem Agenten ergibt, sowie

– dass die Gründe für die Stornierung oder Vertragsänderung nicht seiner Sphäre zuzurechnen sind, also der Grund nicht von der Produktgesellschaft/Unternehmer ausgegangen bzw nicht von diesen zu vertreten ist oder die Produktgesellschaft/Unternehmer einen gerechtfertigten Grund hatte, und

– bei Zahlungsverzug des Kunden, dass alle zumutbaren Schritte unternommen wurden, um den Kunden zur Leistung zu veranlassen.

Nur wenn diese Kriterien kumulativ erfüllt werden, ist ein erfolgreiches Vorgehen des Unternehmers gegen den Agenten möglich.

Aufgrund dieser Beweislage wird es für Unternehmer sehr schwer werden bezahlte Provisionen von ihren Agenten zurückzufordern.

Wir bieten Ihnen gerne an, Ihren Vertrag, Ihre Geschäftspraxis bzw. einzelne Stornoabrechnungen auf dieses Erkenntnis des OGH hin zu durchleuchten und würden bei einem konkreten Fall auch gerne zur Seite stehen.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Ihre Neumayer, Walter & Haslinger Rechtsanwältepartnerschaft

1030 Wien Vienna, Baumannstraße 9/11,

Tel:  0043/1/712 84 79, rechtsanwalt@neumayer-walter.at

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