ARAG über neue Normalität & Digitalisierungs-Vorteile (NL 10b/23)

Mag.a Birgit Eder, Hauptbevollmächtigte ARAG SE, Foto ARAG

Interview mit Mag.a Birgit Eder,
Hauptbevollmächtigte der ARAG SE, Direktion für Österreich

Im heurigen Interview erfahren wir u.a. wie ARAG durch die Corona-Krise gekommen ist und wie nun die „neue Normalität“ aussieht? Und welche Rolle dabei die Digitalisierung spielt. Ist und bleibt „Beratung via Video“ bei Kunden akzeptiert? Wie viel wird online gekauft? Und bringt Digitalisierung auch Vorteile für die Berater und Vermittler? Gläsener Akt, ARAG Tarifrechner und Pionier-Arbeit bei der BIPRO-Schnittstelle sind weitere Themen.

IVVA: Wir haben Jahre der Krisen hinter uns: Corona-Pandemie, Ukraine-Überfall, Energiekrise, hohe Inflation. Für viele Menschen und Unternehmen große Herausforderungen. Wie geht es Ihnen damit? Wie war das Vorjahr für Sie als Versicherer?

Mag.a Eder, ARAG: Die ARAG konnte mit der verrechneten Prämie im Vergleich zum Vorjahr ein Wachstum von 6,6% verzeichnen und ist damit stärker als der Rechtsschutzmarkt gewachsten. Vom Produktionsvolumen war das Jahr 2022 zwar etwas schwächer als das Rekordjahr 2021, allerdings sind auf der anderen Seite die Vertragsstornos stark zurück gegangen, was sehr erfreulich ist. Das ist im Branchenvergleich sehr gut und wir sehen darin auch das Ergebnis unserer Bemühungen uns in allen Bereichen auf die neue Normalität einzustellen und Vertriebspartner und Kunden gleichermaßen abzuholen.

IVVA: Mit „neuer Normalität“ spielen Sie wohl auf die Tatsache an, dass Corona zu einer Veränderung der Arbeitswelt geführt hat?

Mag.a Eder: Selbstverständlich hat Covid-19 – auch bei uns – den Arbeitsalltag drastisch verändert. Die meisten von uns arbeiteten fast 2 Jahre im Homeoffice.

IVVA: Und wie hat das funktioniert? Immerhin mussten sich sowohl Sie als Anbieter, aber auch die Vermittler und besonders die Kunden an eine neue Form der Online-Kommunikation gewöhnen.

Mag.a Eder: Das hat bei uns sehr gut funktioniert, weil wir schon vor Corona viele Vorkehrungen für Telearbeit getroffen haben und etwa MS Teams regelmäßig genutzt haben. Wir sind technologisch gut ausgestattet, weshalb wir auch binnen einem Tag den Wechsel vom Büro ins Home-Office bewerkstelligen konnten. Somit war die Erreichbarkeit immer zu 100% gegeben.

IVVA: Und wird uns diese „neue Normalität“ auch künftig erhalten bleiben? Wird es also normal bleiben, dass man viele Termine z.B. via Online-Meetings absolviert?

Mag.a Eder: Mittlerweile arbeiten wir in einer hybriden Variante, teils im Büro, teils von zu Hause. Wir nutzen weiterhin Online Kommunikations-Tool wie Teams, das ist auch jetzt nicht mehr aus dem Arbeitsalltag wegzudenken. Die Verwendung von Videokommunikation hat mehr Effizienz gebracht und wird auch in Zukunft eine stärkere Rolle spielen. Allerdings sind persönliche Termine nach wie vor sehr wichtig für ein positives Miteinander, das wir nicht missen wollen.

IVVA: Effizienzsteigerung beim Versicherer und Vermittler (z.B. durch Einsparen von Fahrzeit, was mehr Kundentermine pro Tag ermöglicht) ist die eine Seite der Medaille. Aber wie schaut die Kunden-Seite aus? Während der Lockdowns wollten die meisten wohl tatsächlich weniger oder gar keinen persönlichen Kontakt. Aber nun?

Mag.a Eder: Diesbezüglich war die Corona-Zeit eine Herausforderung, die wir gerne angenommen haben. Wir haben neue Kommunikationswege geöffnet. So gab es etwa die Möglichkeit Beratungen per Video in Anspruch zu nehmen. Weiters haben wir einen Live-Chat eingeführt, wo Kunden und Vertriebspartner in Echtzeit mit uns chatten können. Einen neuen Chatbot gibt es auch. Hier kann der Kunde einen Verkehrsunfall leicht melden und wird Schritt für Schritt durch die Schadenmeldung geleitet.

IVVA: Ich stelle mir gerade vor, wie schwer es besonders einem Rechtsschutzversicherer gegangen sein muss, die Kunden über Rechtsgrundlagen und die Frage, ob im konkreten Fall ein Prozess eine Chance hat, zu beraten. Akzeptieren die Kunden in so sensiblen Bereichen z.B. Telefonate und Online-Meetings oder nimmt man dann doch ein persönliches Gespräch wahr?

Mag.a Eder: Im Leistungsbereich, wo die physische Anwesenheit normalerweise erforderlich ist – wie etwa bei der Inhouse-Mediation – wurde auf Videokonferenz umgestellt. Für uns war es wichtig gerade in dieser unsicheren Zeit die gewohnte Servicequalität auf hohem Niveau zu halten. Das ist uns auch gelungen.

IVVA: Und wie stellt sich die Situation nun dar? Bleibt die „neue Normalität“ erhalten oder ändert sich unsere Einstellung wieder?

Mag.a Eder: Aktuell sind wir der Meinung, dass es wichtig ist alle Kundinnen und Kunden, aber auch Vertriebspartner da abzuholen, wo es für sie gut ist. Wir bieten daher sowohl den persönlichen Kontakt, als auch alle Wege der digitalen Kommunikation an. Was seit Corona in sehr großem Ausmaß in Anspruch genommen wird, ist die telefonische Rechtsberatung durch unsere Inhouse-Juristinnen und Juristen. Dieser Service hat unsere Kundinnen und Kunden so begeistert, dass auch nach den Lockdowns die Anzahl sehr hoch bleibt.

IVVA: Viele Vermittler empfinden Digitalisierung als Bedrohung. Und fürchten im Kampf gegen die Computer unter die Räder zu kommen? Welche Vorteile bringt die Digitalisierung für die Berater und Vermittler?

Mag.a Eder: Wir sehen die Digitalisierung nicht als Konkurrenz für persönlichen Umgang und Beratung, sondern als Ergänzung, die weitere Möglichkeiten schafft.

Organisatorische Dinge können automatisiert werden und damit haben unsere Juristen und Berater/Vermittler mehr Zeit, um sich den Bedürfnissen unserer Kunden und Vertriebspartner zu widmen. Damit werden sowohl auf Versicherer-Seite als auch auf Seiten unserer Vertriebspartner wertvolle Ressourcen frei.

IVVA: Haben Sie ein paar konkrete Beispiele?

Mag.a Eder: Im Vorjahr haben wir unseren neuen Prämienrechner für Vertriebspartner eingeführt. Darauf aufbauend haben wir weitere Funktionen an den Kern angebunden.

Der ARAG-Tarifrechner ist eine Web-Anwendung welche es registrierten Vertriebspartnern ermöglicht, die Produkte nach den Bedürfnissen der Kunden zu kalkulieren, Angebote und Anträge für die Produkte zu erstellen und diese sogleich zu übermitteln. Der Vertriebspartner sieht im Tarifrechner alle bei ARAG bestehenden Kundenverträge, die er vermittelt hat und erspart sich so bei Konvertierung die Daten nochmals einzugeben. Mit Anfang dieses Jahres haben wir die digitale Unterschrift in das Tool integriert.

Ein anderes Beispiel dafür, wo eine gelungene Digitalisierung enorme Zeitersparnis, sowohl IT-seitig, als auch für den Fachbereich, bringt, ist unsere BiPRO-Schnittstelle. So erhält die Versicherung etwa strukturierte Daten, welche automatisiert verarbeitet werden können. Von Seiten des Vertriebspartners müssen Inhalte der Versicherung nicht mehr manuell eingearbeitet werden, sondern stehen jederzeit aktuell über die Schnittstelle zur Verfügung.

Während solche Schnittstellen in anderen Versicherungssparten, insbesondere in der Kfz-Versicherung, bereits üblich sind, ist die ARAG der Pionier auf dem österreichischen Markt und bietet als Erster eine solche Schnittstelle für die Rechtsschutzversicherung an.

Weiters arbeiten wir im Hintergrund in verschiedenen Bereichen an automatisierter Verarbeitung, sodass Vertriebspartner und Kunden noch rascher und effektiver serviciert werden können. ARAG ist in Sachen Digitalisierung auf einem sehr guten Weg.

IVVA: Kommen wir zum Online-Vertrieb: Muss sich der Vermittler darauf einstellen, dass künftig Standard-Produkte, die der Kunde plötzlich braucht (etwa Reise-, KFZ-Versicherung) online abgeschlossen werden und nur noch komplizierte Produkte oder solche, wo der Kunden keinerlei Bedarf sieht (weil noch nichts passiert ist) durch den Vermittler beraten und vermittelt werden?

Mag.a Eder: Aus unserer Sicht müssen Produkte auch online angeboten werden. Es gibt schlicht Kunden, die online direkt abschließen möchten und auch ohne diese Möglichkeit zu keinem Vertriebspartner gehen würden. Diese versuchen wir online abzuholen.

IVVA: Aber lassen sich komplexe Produkte (wie etwa Rechtsschutz) überhaupt kompetent online verkaufen? Bekommt der Kunde im Online-Vertrieb wirklich das „richtige“ Produkt?

Mag.a Eder: Hier ist unsere Aufgabe, möglichst passgenau den Bedarf zu erheben und dann ein entsprechendes Produkt vorzuschlagen, welches der User dann noch konfigurieren kann. Technisch affine User können dies auch direkt übers Smartphone machen. Auf der anderen Seite gibt es Rechtsschutz-Produkte, wie z.B. den Betriebs-Rechtsschutz, bei dem eine Beratung dringend anzuraten ist. Hier stellen wir zwar Online-Abschlussmöglichkeiten für den Vermittler bereit, nicht jedoch für den Endkunden.

IVVA: Sehen Sie hier unterschiedliche Einstellungen zwischen jungen und älteren Vermittlern? Aber auch Unterschiede bei Privatkunden und Firmen in diesem Punkt? Jungen Menschen schließen wohl häufiger am Flughafen am Handy eine Reiseversicherung ab, weil es leicht geht. Aber kann es wirklich eine Firma riskieren, online eine Versicherung abzuschließen und dann womöglich ein ungeeignetes Produkt zu haben und die Folgen tragen zu müssen?

Mag.a Eder: Es gibt hier definitiv einen Unterschied im Alter. Die junge Generation ist ganz selbstverständlich im Umgang mit neuen Technologien und Tools und bevorzugen auch diese Art der Kommunikation. Je komplexer das Produkt wird, umso wichtiger ist aber nach wie vor die persönliche Beratung durch den Vermittler.

Beim Firmen-Rechtsschutz sollte die Risiko- und Bedarfsanalyse durch einen professionellen Vermittler im Vordergrund stehen. Einen Online-Abschluss durch einen Endkunden sehen wir in diesem Bereich kritisch.

IVVA: Ich las vom „gläsernen Akt“ auf Ihrer Webseite. Wollen Sie unseren Lesern berichten, was ich als Vermittler damit machen kann?

Mag.a Eder: Via Internet können unsere Vertriebspartner Daten zu den jeweiligen Versicherungsverträgen abfragen. Hierbei legen wir größten Wert auf Datensicherheit. So ist es notwendig, dass sich die Vermittler mittels User-ID und Kennwort am WEB-Server der ARAG anmelden. Zusätzlich werden den Benutzern Klienten-Zertifikate ausgestellt, die der Überprüfung des Zuganges dienen. Vermittler erhalten über den gläsernen Akt Auskünfte zu Verträgen, können einen Datensatz oder Provisionsnoten downloaden, Stammdaten ändern oder direkt Mitteilungen senden.

 

Nächste Woche erfahren wir, welche Gefahren sich aus Cyber-Angriffen ergeben können. Produkt-News und -Erweiterungen wie etwa Online-Reputationsschutz oder Manager-Rechtsschutz sowie der der durch die Medien gehende „google fonts“-Fall runden Teil 2 des Interviews ab.

Foto von ARAG zur Verfügung gestellt.

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