EU-Renaturierungsverordnung: Ihre Bedeutung für die Versicherungsbranche? (NL 19/24)

Foto Mag. Novotny_Stephan Huger

Die EU-Renaturierungsverordnung und ihre Bedeutung für die Versicherungsbranche

Viel wurde in den letzten 2 Wochen über diese Verordnung und das österreichische Abstimmungsverhalten (auf Bundesländer-Ebene und letztlich auf Regierungsebene) diskutiert. Nun ist es beschlossene Sache und viele sagen, dies sei angesichts der immer verheerender werdenden Unwetter-Kapriolen (u.a. verursachten sie auch in den letzten beiden Wochen in Österreich Millionenschäden) eine notwendige EU-Vorgabe.

Auch in der Nachbetrachtung oben zitierter Unwetter war unsere Branche immer wieder in Diskussion: So wird etwa eine Pflichtversicherung gegen Unwetterschäden immer wieder gefordert, weil Betroffene oft nur einen Teil der Schäden bezahlt bekommen bzw. oft als Bittsteller zu Bund und Land kommen müssen. Welche Lösung hier gefunden wird, werden wir mitverfolgen.

Heute fragen wir beim auf Versicherungsrecht spezialisierten Anwalt Mag. Stephan Novotny an, worum es bei der EU-Renaturierungsverordnung geht und was hier für die Versicherungsbranche zu erwarten ist.

Hier folgt nun sein Beitrag:

Am Montag, 17.06.2024, wurde die wohl derzeit wichtigste Naturschutzverordnung auf EU-Ebene die „EU-Renaturierungsverordnung“ im Rat der EU angenommen. Bis zum letzten Moment war unklar, ob die nötige qualifizierte Mehrheit von 55 EU-Ländern, welche mindestens 65% der Bevölkerung repräsentieren, bei der Abstimmung erreicht wird. Durch die Zustimmung der österreichischen Klimaschutzministerin, Leonore Gewesseler, konnte die Verordnung letztendlich mit der qualifizierten Mehrheit von 20 Ländern, die 66,07% der Bevölkerung repräsentiert, beschlossen werden. Um die Klimaziele zu erreichen und unsere Lebensgrundlage zu sichern war dies ein wichtiger Schritt. Doch worum geht es in der EU-Renaturierungsverordnung und welche Auswirkungen sind für die Versicherungsbranche zu erwarten?

 

Hintergrund und Inhalt

Im Zuge des im Jahr 2020 beschlossenen „Green Deals“ soll Europa als erster Kontinent bis 2050 klimaneutral werden. Eines der ersten Zwischenziele, den Ausstoß von Treibhausgasen um 55% gegenüber 1990 zu verringern, soll bereits bis 2030 erreicht werden. Um der Erreichung dieses Ziels und noch weiterer – wie beispielsweise ein nachhaltiges Lebensmittelsystem und den Ausbau von erneuerbaren Energien – einen Schritt näher zu kommen, hat die EU-Kommission als Teil des „Green Deal“-Pakets die EU-Renaturierungsverordnung ins Leben gerufen.

Ein Großteil der Ökosysteme befindet sich in einem schlechten Zustand, weshalb es bei der neuen Verordnung konkret darum gehen soll, diese wiederherzustellen beziehungsweise biologisch vielfältiger und widerstandsfähiger zu machen. Erreicht werden soll das durch Maßnahmen wie durch Aufforsten von Wäldern, Wiedervernässen von Mooren, natürlichere Flussläufe sowie mehr Naturräume in Städten. Bis 2030 sollen 30% der Gesamtfläche aller in Anhang I genannten Lebensraumtypen, die sich nicht in einem guten Zustand befinden, in einen guten Zustand versetzt werden. Dieser Prozentsatz soll sich bis 2040 auf 60% und bis 2050 auf 90% erhöhen. Darüber hinaus verpflichten sich die Mitgliedsstaaten, Maßnahmen zu ergreifen, um einen Aufwärtstrend bei zwei von drei Anzeichen für landwirtschaftliche Ökosysteme zu erreichen: Index der Grünlandschmetterlinge, Vorrat an organischem Kohlenstoff in mineralischen Ackerböden, Anteil landwirtschaftlicher Flächen mit Landwirtschaftselementen mit großer Vielfalt. Eine Messung der genannten Indikatoren soll alle sechs Jahre stattfinden.

Auch eine „Notbremse“ wird in der Verordnung vorgesehen. Sollte es zu einer Gefährdung der ausreichenden landwirtschaftlichen Erzeugung für den Lebensmittelverbrauch kommen, so obliegt es der Kommission, Durchführungsakte zu erlassen mit der – wenn erforderlich und gerechtfertigt – die Zielvorgaben vorübergehend ausgesetzt werden können.

 

Innerstaatliche Umsetzung und Auswirkungen auf die Versicherungsbranche

Die neu beschlossene EU-Renaturierungsverordnung gibt den Mitgliedsstaaten lediglich Ziele vor, lässt ihnen bei der Umsetzung zur Erreichung dieser aber Spielraum. Wie ein Fahrplan für die innerstaatliche Umsetzung aussieht, ist in dem Moment noch unklar. Es bedarf jedenfalls nationaler Wiederherstellungspläne sowie vorbereitender Überwachung und Forschung, aufgrund dessen die nötigen Wiederherstellungsmaßnahmen eruiert werden können.

Intakte Ökosysteme bieten nicht nur Schutz für den Wohlstand unserer Gesellschaft, sondern auch Schutz vor immer häufiger werdenden und durch den Klimawandel ausgelösten Naturgefahren. Durch die EU-Renaturierungsverordnung könnte den Schadensummen, welche sich über die letzten Jahre durch Folgen von Extremwettern vervielfacht haben, etwas entgegengewirkt werden.

Während in Teilen der USA und Australien Wohngebäudeversicherungen kaum noch oder nur zu horrenden Preisen erhältlich sind, könnten diese hierzulande möglicherweise leistbar bleiben.

Welche konkreten Auswirkungen die neue Verordnung tatsächlich auf die Versicherungsbranche haben wird, ist jedoch abzuwarten. Herausforderungen könnte es in der Risikobewertung und Produktanpassung geben, gleichzeitig bestehen aber Chancen für die Entwicklung neuer Versicherungsprodukte sowie nachhaltiger Investitionen.

Beste Grüße von Mag. Stephan Novotny und dem IVVA Team

 

Sollten Sie noch keinen Anwalt haben: Mag. Stephan Novotny, ein auf Versicherungs- und Datenschutzrecht spezialisierter Fachanwalt steht gerne zur Verfügung. Für IVVA-Mitglieder sogar zum Spezialpreis.

 

RA Mag. Stephan Novotny, Foto: Stephan Huger


RA Mag. Stephan Novotny

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