Verheerende Ungleichbehandlung Agent-Makler (NL 10/23)

50% Rabatt für den Makler möglich, während dem eigenen Agenten das Geschäft verboten wurde.

Unterschiedliche Angebote / Preise für das gleiche Produkt.

Foto Mag. Novotny_Stephan Huger

Immer wieder werden uns krasse Situationen aus dem Markt geschildert. Besonders weh tun diese, wenn der Agent vom eigenen Haus ein Verbot erhält, während der Makler nicht nur das Geschäft machen darf, sondern auch noch Rabatte von 30, 40 oder sogar 50 % bekommt.

Neben den finanziellen Verlusten (rund 20.000 €) führt so ein Vorgehen des Versicherers zu Reputationsverlust des Agenten. Kann man dagegen juristisch vorgehen?
Diese Frage ist die 3. Frage aus den in der Vorwoche gestarteten Praxis-Fragen-Serie, die wir mit RA Mag. Stephan Novotny beantworten.

Zum Erinnern: Vorige Woche beantworteten wir:

A) Darf Versicherer dem Vermittler aus Datenschutzgründen Informationen zu einer Kündigung des Kunden verweigern?

B) Darf ein Agent in ein Makler-Büro einsteigen?

Die Antworten des auf Versicherungsrecht spezialisierten RA Mag. Stephan Novotny finden Sie hier…

 

Doch nun zurück zu Frage
C) Darf Versicherer das gleiche Produkt dem Makler um 40-50 % billiger verkaufen lassen, während dem hauseigenen Agent das Annehmen des Kunden/Projekts wegen zu hohem Risiko verboten wurde?

Zuletzt hatten wir im Vorjahr von einem ähnlichen Fall an Ungleichbehandlung berichtet. Zum Nachlesen hier….
Aber bereits 2012 hatten wir einen Beitrag „Rufschädigung durch das eigene Haus“: Hier zum Nachlesen…
Und wir fragten uns: Wo bleibt die Waffengleichheit zwischen Agenten und Makler?

Hier zu den Eckdaten des heurigen Falles.
Ein Agent eines großen Versicherers (Name bekannt, soll aber nicht genannt werden, um keine „verbrannte Erde zu hinterlassen“) möchte ein Zinshaus mit ca. 7,00 Mio. versichern, erhält aber die Auskunft, dass sein Versicherer „einen harten Sanierungskurs fahre und ein derartiges Risiko nicht zeichnen würde“.

Als ein Makler beim Versicherer für das gleiche Projekt anfragte, erhielt dieser sehr wohl ein Angebot und wohl auch den Abschluss.

Aber es kommt noch schlimmer.

Als der Agent kurze Zeit später ein weiteres Zinshaus komplett versichern wollte (Feuer, Sturm, LW, Haftpflicht), erhielt er von seinem Versicherer eine wortgleiche Absage („Sanierungskurs, Risiko nicht zeichnen…“). Ein Makler erhielt jedoch von der Maklerabteilung der Uniqa sehr wohl ein Angebot, noch dazu mit einem 35 % höheren Rabatt, als der Agent jemals bekommen hatte.
Als ein Gegenangebot vorlag, musste seitens Maklerabteilung des Versicherers nochmals nachgebessert werden, was auch getan wurde und nun ein unglaublicher Rabatt von 40-50% gewährt wurde.

Der Agent resümiert frustriert:

„Ein Prämienunterschied zu meinen Tophäusern von bis zu 50%, obwohl ich nicht einmal die Häuser versichern durfte, weil ja das Risiko zu hoch wäre und mein Versicherer dieses Risiko nicht zeichnet, ist mehr als verwunderlich und bezeichnend. Auch weitere gewerbliche Anfragen wurden vom Versicherer – meinem Gewerbereferenten – abgelehnt. Hier handelte es sich aber im Vergleich zu den Zinshäusern um Kleinigkeiten, aber auch diese Verträge werden über die Maklerschiene – das hat mir mein bekannter Makler versichert – bei meinem Versicherer eingedeckt…….“

Der Agent hat versucht die lokalen Verantwortlichen (Landesdirektor, Vertriebsleiter Exklusivvertrieb) auf die verrückte Situation aufmerksam zu machen, aber keine Antwort erhalten.

Welche finanziellen Auswirkungen dieses Verhalten des betreffenden Versicherers hat, fasst der Agent wie folgt zusammen:

„Mir entgeht nun die Abschlussprovision, die Folgeprovision, der Ratingzuschlag, der auf alle Provisionen verrechnet wird (zur Zeit ca. 18%), Prämien auf Bestandssteigerungen, etc..

Hier nicht eingerechnet sind natürlich Vertriebserträge und auch eventuelle Indexanpassungen habe ich nicht berücksichtigt. Und bei den beiden Verträgen komme ich auf ca. 20.000€, die mir und meiner Firma auf 5 Jahre (einmal ein 10 Jahresvertrag und einmal eine WEG, also grundsätzlich 3 Jahresvertrag) entgehen.
Gleichzeitig muss ich Ziele, welche jährlich von meinem Versicherer vorgegeben werden, erfüllen, damit ich Bonuszahlungen lukrieren kann.
Beim Nichterreichen der vorgegebenen Ziele habe ich auch zusätzlich anteilige Rabattvergabekosten zu bezahlen, die ich ansonsten nicht zu zahlen hätte. Auch Zuschüsse für Kalenderkosten fallen dann natürlich weg…..“

Aber noch schlimmer, der Agent stellt fest, dass seine Reputation den Kunden und Projektpartnern gegenüber gelitten hat. Die überhaupt nicht verstehen können, warum dieser Versicherer via Agent nicht abschließen wollte, dies aber über die Makler-Schiene doch tut. Und ein Rabatt von bis zu 50 % hinterlässt bei den Kunden auch noch den Eindruck, dass der Agent unfähig ist, sie womöglich jahrelang abgezockt hat, etc.

Ich erinnere mich an unsere Zusammenfassung der vorjährigen Situation, die hier 1:1 wiederholt werden kann:
„Eigentlich ein Super-Gau für Agent und Versicherung. Denn der Kunde hat den Agenten verärgert verlassen (weil er nicht zu Unrecht glauben musste, dass der Agent und seine Versicherung von ihm jahrelang zu viel Prämie verlangt hatten). Aber auch die Versicherung hat dadurch Nachteile: Hat sie doch zugestimmt, dass das gleiche Produkt zu viel schlechteren Konditionen an den Kunden via Makler vermittelt werden durfte.“

Der damals und auch der heute betroffene Agent fragten bei uns nach, ob man gegen diese gröbliche Benachteiligung seitens des eigenen Versicherers vorgehen könne.

Wie sieht es rechtlich aus? Das haben wir schon im Vorjahr den auf Versicherungsrecht spezialisierten Anwalt Mag. Novotny gefragt. Ist das Vorgehen vielleicht gleichheitswidrig oder kann man sonst wie juristisch dagegen vorgehen?

Dazu antwortete damals RA Mag. Stephan Novotny:

„Ich habe bezüglich Gleichheitswidrigkeit nichts gefunden. Es ist grundsätzlich üblich, dass Maklern und Agenten unterschiedliche Konditionen von Versicherern angeboten werden, obwohl 40% hier natürlich schon sehr viel sind. Aber ich wüsste nicht, auf welche Rechtsgrundlage man das stützen sollte, da es aus meiner Sicht zwischen Maklern und Agenten kein Gleichbehandlungsgebot gibt.

Ansonsten wären die Schranken wohl das allgemeine Zivilrecht, also laesio enormis (sog. Verkürzung über die Hälfte) oder Wucher, aber dazu müsste der Vertrag bereits abgeschlossen sein, wohingegen es sich beim Fragesteller um ein bloßes Angebot handelt, gegen das man wohl schwer vorgehen kann.“

Im Unterschied zum Vorjahres-Fall sind die heuer zur Diskussion stehenden Verträge bereits abgeschlossen!
Auch wäre noch juristisch zu klären, ob das ausgesprochene Annahme-Verbot des Geschäfts (für den Agent) bei gleichzeitigem Abschließen durch einen Makler (noch dazu zu dramatisch besseren Konditionen) nicht doch „angreifbar“ wäre.

Aber Versicherer, die solche Aktionen zulassen, verlassen sich wohl darauf, dass kaum ein Agent es wagt, sich in einen Rechtsstreit mit seinem Versicherer zu gehen.

Unser Resümee: Mag sein, dass so ein Vorgehen rechtlich schwer angreifbar ist – siehe damalige Einschätzung von Mag. Novotny – aber macht es für den Versicherer wirklich wirtschaftlich Sinn, dass Makler-Verantwortliche oder Landesdirektoren bei Versicherern offensichtlich ihre Verkaufszahlen durch bessere Konditionen für die von ihnen geführten Makler zu erreichen versuchen? Und dadurch mitunter die Agenten des eigenen Hauses erheblich benachteiligen und deren Reputation schädigen?

Ist es schlau vom Versicherer, beim eigenen Agenten den Eindruck zu erwecken, dass man nur „Vermittler 2. Wahl“ ist?

Werte Leserin, werte Leser: Sind das nur einzelne Ausreisser oder kommt dies wieder öfters vor? Haben Sie ähnliches erleben müssen? Schreiben Sie uns Ihre Wahrnehmung vom Markt. Ein E-Mail an redaktion@ivva.at genügt.

 

Beste Grüße vom IVVA Team und Mag. Stephan Novotny
Für weitere Rückfragen und Abklärungen steht Mag. Novotny IVVA Mitgliedern gerne zum IVVA-Sonderpreis zur Verfügung:

Kontaktdaten:

Foto Mag. Novotny_Stephan Huger

RA Mag. Stephan Novotny
1010 Wien, Landesgerichtsstraße 16/12 (neu)

kanzlei@ra-novotny.at

www.ra-novotny.at

 

Fotonachweis:
RA Mag. Stephan Novotny, Foto Stephan Huger

 

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